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Amin Younes: Kleiner Mann, große Geste
Beim Frankfurter Sieg über die Bayern gedenkt Amin Younes der Hanau-Toten
Gemeinhin ist Adi Hütter des Überschwangs unverdächtig. Der Fußballlehrer aus Vorarlberg hat lange seinen Gefühlen eher zurückhaltend Ausdruck verliehen, aber am Samstag schienen selbst beim Trainer von Eintracht Frankfurt gewisse Dämme zu brechen. Der 51-Jährige ist nun lange genug in diesem Verein und diesem Umfeld tätig um zu wissen, was das gewonnene Spitzenspiel gegen den FC Bayern (2:1) gemeinhin vor vollem Haus ausgelöst hätte: »Nach so einem Spiel wäre das Dach weggeflogen.« Und im Mittelpunkt aller Huldigungen hätte ein 1,68 Meter großer Trickser gestanden: Amin Younes. »Das war seine beste Saisonleistung, seit er bei uns ist«, schwärmte Hütter und bescheinigte seinem Solisten »eine absolute Weltklasseleistung« mitsamt einem »Weltklassetor«.
Tatsächlich erinnerte es beinahe an Lionel Messi, wie der bei Borussia Mönchengladbach ausgebildete, beim 1. FC Kaiserslautern teilweise auf die Tribüne verbannte und erst jetzt mit großer Verspätung und nach einigen Umwegen in der Bundesliga aufblühende Dribbler alle namhaften Gegenspieler narrte. Vor allem der schwerfällige Niklas Süle wirkte auf dem rutschigen Rasen wie ein tapsiger Bär, der seine Beute nie zu greifen bekommt. Was Younes mit dem Ball anstellte, war schlicht nicht zu fassen. Das 1:0 von Daichi Kamada leitete er mit einer seiner unnachahmlichen Körpertäuschungen ein (12.), beim 2:0 hämmerte er die Kugel knallhart als Marke »Tor des Monats« in den Winkel (31.). Zwischendrin versuchte er sich noch an einem Weitschusstor von der Mittellinie wie einst Klaus Augenthaler für die Münchner im alten Waldstadion.
Doch noch bemerkenswerter war, was die Leihgabe des SSC Neapel nach dem Volltreffer im 100. Duell dieser Bundesliga-Traditionsvereine anstellte: Da lief er nämlich zur Seitenlinie, um ein schwarzes Jersey eines der Ermordeten des Anschlags von Hanau hochzuhalten. Der Name: Fatih Saraçoğlu. Am 19. Februar 2020 hatte ein Attentäter aus rechtsextremistischen Motiven neun Menschen mit Migrationshintergrund umgebracht. Die Eintracht-Spieler hatten sich in Shirts mit Namen und Konterfeis der Opfer aufgewärmt – indem Younes beim Torjubel das Textil griff, bekam das Gedenken noch weitaus mehr Öffentlichkeit. Eine große Geste nach einem großartigen Tor. »Wir müssen weiter an die Betroffenen denken«, erklärte der in Düsseldorf geborene Deutsch-Libanese hinterher. Ihn habe das alles damals sehr nachdenklich gemacht. »Das bringt die Opfer zwar nicht zurück, aber die Familienangehörigen wissen jetzt, dass wir an sie denken. Dafür steht die Stadt Frankfurt und dafür steht auch dieser Verein.«
Kein Wunder, dass Hütter nach dem starken Zeichen nicht nur über den »tollen Kicker«, sondern auch »den tollen Typen, tollen Menschen« schwärmte. Fraglos hat der Trickser auf seiner Karriere, die vielleicht auf einigen Stationen so verschlungen verlief wie seine Laufwege, nicht immer alles richtig gemacht, aber in seinem Auftreten und seinen Äußerungen wirkt der 27-Jährige inzwischen erstaunlich reif. Und fußballerisch wird er bei den Hessen als einer von zwei gleichberechtigten Spielmachern ohnehin von Woche zu Woche wichtiger.
Das dürfte auch Joachim Löw auf der Tribüne hinter seiner Sonnenbrille registriert haben. Der Bundestrainer hatte diesmal pannenfrei den Weg ins Stadion gefunden, und wenn ihn das tief stehende Licht nicht allzu sehr irritiert hat, dann wird sich der 61-Jährige sehr genau überlegen, ob dieser Spielertyp nicht auch der DFB-Auswahl helfen kann; einer, der mit einem Haken alle Verteidigungspläne aushebelt.
Younes stand in seiner besten Zeit bei Ajax Amsterdam einige Male im Kader der DFB-Auswahl, absolvierte unter Löw rund um den Confed-Cup-Sieg 2017 sogar fünf Länderspiele, das letzte am 8. Oktober 2017 in der WM-Qualifikation gegen Aserbaidschan (5:1). Hütter will Löw keine Ratschläge erteilen, was die Nominierung für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele im März gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien angeht, aber dass ein Türöffner mit einem so tiefen Körperschwerpunkt helfen könne, steht für ihn außer Frage. Denn: »Einen Spieler von so einer Qualität habe ich noch nicht trainiert.« Und das will bei dem in Österreich und Schweiz immerhin zu Meisterehren gelangten Erfolgscoach des Champions-League-Anwärters Eintracht Frankfurt eigentlich etwas heißen.
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