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Provozierte Gewaltnächte in Spanien

Menschen gehen weiter in Massen für die Freilassung des Rappers Pablo Hasel auf die Straßen. Auch die Regierung streitet über den Fall

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Samstag haben in Spanien erneut viele Menschen gegen die Inhaftierung des Rappers mit dem Künstlernamen Pablo Hasel protestiert, der am vergangenen Dienstag verhaftet wurde, um eine neunmonatige Haftstrafe anzutreten. Die Proteste dagegen sind Ausdruck eines allgemeinen Unmuts, da auch nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International Künstler wie Hasel für ihre Meinungsäußerungen kriminalisiert werden. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation »Freemuse« ist Spanien noch vor dem Iran und der Türkei Weltmeister bei der Inhaftierung von Künstlern.

Der größte Protest fand erneut im katalanischen Barcelona statt. Nach Angaben der Stadtpolizei haben sich daran 6000 Menschen beteiligt. Anders als in Girona oder in Madrid kam es hier erneut zu Zusammenstößen. Massive Einsatzkräfte der Polizei hatten der zunächst friedlich verlaufenden Demonstration den Weg versperrt und trieben sie auseinander. Erst dabei war es zu Ausschreitungen gekommen. Die Demonstrierenden errichteten Barrikaden. Scheiben von Banken wurden eingeworfen und einige Geschäfte geplündert.

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Vor allem die Aufstandsbekämpfungseinheit (Brimo) sei mit großer Härte vorgegangen, berichteten Augenzeugen. Sie kesselte Demonstranten ein, um wahllos auf sie einzuprügeln. Menschen wurden durch Hartschaum-Geschosse verletzt. Vergangene Woche hatte eine junge Frau durch ein »Foam«-Geschoss ein Auge verloren. Die Polizeiführung hat eine Untersuchung eingeleitet, da nicht auf Köpfe gezielt werden darf, und bedauert den Vorfall »zutiefst«. Dabei, so wird berichtet, hat sich am Vorgehen nichts geändert. Auch Journalisten werden getroffen. Der Fotojournalist Carlos Márquez Daniel von der Zeitung »El Periódico« hat angezeigt, gezielt aus einem Polizeiwagen beschossen und verletzt worden zu sein.

Man geht allgemein davon aus, dass Zusammenstöße oft provoziert werden. In den Demonstrationszügen wurden bekannte Rechtsextreme identifiziert. Auch Kleinkriminelle sollen die Demonstrationen für Plünderungen genutzt haben. »Die 15 Festgenommenen am Samstag sind gewöhnliche Kriminelle«, erklärte der katalanische Innenminister Miquel Sàmper. Verwiesen wird auf ein Polizeikonzept, das Sherwood-Syndrom genannt wird und vom Polizeiführer David Piqué i Batallé erarbeitet wurde. Um Bewegungen zu zerschlagen, sollen sie gezielt provoziert werden, um die »Gemüter weiter zu erhitzen«. Dabei soll »gegen Demonstranten direkt vorgegangen werden«. Auch in Madrid, Granada oder Valencia war zu sehen, dass die Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen friedliche Proteste vorgingen. Dort wurde zum Beispiel auch ein Abgeordneter der linken Regionalpartei Compromis, die in der Region Valencia aktiv ist, ohne Anlass attackiert.

Die Vorgänge steigern die Spannungen in der spanischen Regierungskoalition. Das hat auch damit zu tun, dass das Maulkorbgesetz, über das der Rapper verurteilt wurde, längst gestrichen sein sollte. Pablo Iglesias, der Chef der Linkskoalition Podemos, äußerte Verständnis für die Proteste, da man es mit »keiner normalen und demokratischen Lage« zu tun habe. Das weist der sozialdemokratische Regierungschef Pedro Sánchez jedoch vehement zurück. Er kündigte aber eine Reform an, um die Meinungsfreiheit besser zu schützen.

Jaume Asens, der Sprecher der Podemos-Fraktion im spanischen Parlament, meint: »Hasel war der Funke, der die Empörung vieler entzündet hat.« Der Katalane fordert eine Begnadigung für Hasel und dessen Rapper-Freund Valtònyc, der sich seit fast drei Jahren im belgischen Exil befindet. Asens kann nicht verstehen, dass die Korruptionsermittlungen gegen den früheren König, der vor Ermittlungen nach Abu Dhabi geflohen ist, in Spanien eingestellt wurden, aber derjenige eingesperrt wird, der den König in seinen Liedern kritisiert hat. Unter anderem wurde Hasel wegen Beleidigung des Königshauses verurteilt.

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