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Die Ungezieltheit gezielter Sanktionen
Statt der Militärjunta in Myanmar mit wirtschaftlichen Folgen zu drohen, sollte der Westen die aktuellen Protestbewegungen unterstützen, meint Felix Girke.
Die Lage in Myanmar ist dramatisch. Der Tatmadaw, wie sich das Militär in dem südostasiatischen Staat nennt, hat am 1. Februar die Macht ergriffen, die Staatsberaterin Aung San Suu Kyi und den Präsidenten Win Myint festgesetzt und einen einjährigen Ausnahmezustand verhängt. Seit einigen Tagen geht das Militär immer gewalttätiger gegen die protestierende Bevölkerung vor, inachts wird das Internet abgeschaltet und repressive Gesetze schränken die Kommunikation und Versammlungsfreiheit ein.
Der Widerstand gegen den Coup ist inklusiv, mutig, kreativ und zunehmend organisiert in der bisher anführerfreien Protestbewegung »Civil Disobedience Movement« (CDM). Reaktionen und Unterstützung aus dem Westen sollten daher den Fokus auf die Akteure im Land legen. Die Menschen vor Ort wissen am besten, wie »wir« ihren Widerstand gegen die Militärjunta unterstützen können. Auch die Sanktionsfrage, die nun wieder gestellt wird, sollte sich an Stimmen aus dem Land orientieren.
Die aktuellen Ereignisse in Myanmar erinnern an die »schlechte alte Zeit« im Anschluss an die brutale Niederschlagung der »1988«-Proteste, als der Tatmadaw das Land innen eng steuerte und ausländischem Engagement ablehnend gegenüberstand. In dem Maße, wie das Land abgeschottet wurde, rückte es in den Fokus von Debatten über das Für und Wider von Tourismus in autoritären Staaten und die Chancen von Wandel durch Annäherung und Kooperation. Seitens europäischer Staaten setzte sich eine punitive Haltung durch: Tourismusboykott, wirtschaftliche Sanktionen, politische Distanz.
Angesichts der Ereignisse im Februar 2021 werden Fragen nach substanziellen Reaktionen des Westens erneut laut. Da breite Sanktionen vor allem die Bevölkerung treffen, werden stattdessen oft »gezielte« Sanktionen gegen hochrangige Militärs und deren Familien ins Spiel gebracht: Blockaden von Auslandsguthaben, Einreiseverbote, Aufkündigung von Geschäftspartnerschaften. Die Schädigung wirtschaftlicher Interessen ausgewählter Personen soll zu einem Einlenken und dem Rückzug der Militärs in die Baracken beitragen. Doch auch gezielte Sanktionen haben in Myanmar eine Vorgeschichte. Haben die Strafmaßnahmen der 1990er zur Öffnung beigetragen? Nein. Kann man davon ausgehen, dass mit engerer Vernetzung, mit präziseren Instrumenten heute eine größere Wirkung erzielt werden kann? Vielleicht.
Der Staat selber ist heute die Beute des Tatmadaw: Auch wenn gezielt die Unternehmen und Firmen der Generäle sanktioniert würden, hindert sie wenig daran, sich im Land anderweitig zu bedienen. Die öffentliche Erklärung vom 15. Februar, dass der Myitsone-Staudamm, der Elektrizität zum Export nach China generieren soll, nach dem Baustopp im Jahr 2017 nun doch weitergebaut werden soll, spricht Bände über die wirklich bedeutsamen Kooperationen in der Region. Der Tatmadaw war in den 1990er Jahren völlig unbeeindruckt von seiner Stigmatisierung: Globales Anprangern funktioniert hier nicht, wie auch Aktivisten aus Myanmar erklären. Auch die Öffnung der letzten zehn Jahre vollzog sich nach einem internen Stufenplan des Militärs, unbeeinflusst durch westlichen Druck.
Angesichts der Vorgänge im Land nach Sanktionen zu rufen, ist verständlich, und es ist auch von zentraler Bedeutung, welche Staaten und Firmen den Tatmadaw mit Waffen und Überwachungstechnologie versorgen. Aber Sanktionen trennen in erster Linie Beziehungen und Myanmar wurde durch die pandemiebedingten Zusammenbrüche von wirtschaftlicher Kooperation als auch touristischem Reisen bereits schwer getroffen. Wichtiger als die protestantische Läuterung des westlichen Selbst durch eine demonstrative Distanzierung von einem Militär, dem unsere Meinung schlichtweg egal ist, und das auch ganz ohne westliche Partner zurechtkommt, wäre eine gezielte Unterstützung des CDM. Die europäischen Kulturinstitute im Land sollten ihre bestehenden Netzwerke pflegen und ausweiten, die Handelskammern sollten der Zivilbevölkerung Know-how zur Verfügung stellen, und auch digitaler Support durch Trainings sowie Workshops ist denkbar. Solche Werkzeuge sind nicht so vertraut wie Sanktionen: Ihr Effekt könnte trotzdem größer sein.
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