- Berlin
- Deutsche Wohnen & Co. enteignen
Heiß auf Unterschriften
Viel Unterstützung zum Sammelstart für das Enteignungs-Volksbegehren
Täglich melden sich neue Unterstützer für die Unterschriftensammlung bei der zweiten Stufe des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co. enteignen. Ab Freitag müssen innerhalb von vier Monaten rund 174.000 gültige Unterstützerunterschriften zusammenkommen, damit der Volksentscheid über die Vergesellschaftung von an die 250.000 Wohnungen renditeorientierter Eigentümer parallel zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl am 26. September stattfinden kann.
»Es ist ein Skandal, dass Immobilienkonzerne aus der Wohnraumnot Kapital schlagen und weite Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen«, sagt Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der Gewerkschaft IG Metall Berlin in einer Unterstützungserklärung. Die Ziele des Volksbegehrens decken sich auch mit den Satzungszielen. Dazu gehört die »Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum«.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Berlin-Brandenburg hat bereits vor längerer Zeit die Unterstützung von Deutsche Wohnen & Co enteignen zugesagt, wie auch der Berliner Mieterverein. Er gehört zu den ersten Unterstützern des Volksbegehrens, wie zahlreiche Mieterbündnisse, so Bizim Kiez aus Kreuzberg. Mit dabei sind auch die Akelius Mieter*innenvernetzung oder die MieterInnen Südwest. »Mit einem Bestand von nur 1,4 Prozent kommunaler Wohnungen und etwa einem Viertel der Einwohner*innen im Seniorenalter war und ist Steglitz-Zehlendorf ein El Dorado für profitorientierte Großinvestoren, die hier auch seitens unserer Bezirksverwaltung keine großen Widerstände fürchten müssen«, begründen sie die Unterstützung.
»Den Schwung, den das Volksbegehren in die Debatte bringt, gilt es für einen radikalen Kurswechsel in der Wohnungs- und Bodenpolitik zu nutzen«, erklärt die Berliner Mietergemeinschaft. Sie werde das Volksbegehren »auf unterschiedliche Weise unterstützen und sich an der Sammlung der Unterschriften beteiligen«, heißt es nun. Die Mietergemeinschaft hatte das Volksbegehren lange skeptisch gesehen.
Die Berliner Linke lässt Skepsis nicht erkennen. »Natürlich werden wir beim Unterschriftensammeln wieder tatkräftig mithelfen«, kündigt die Landesvorsitzende Katina Schubert an. »Wir meinen es ernst mit der Vergesellschaftung. Und wir wollen, dass die Berlinerinnen und Berliner die Gelegenheit bekommen, darüber abzustimmen«, so Schubert weiter. Die Linke wird bei der Auftaktkundgebung am Freitag am Kottbusser Tor prominent vertreten sein, unter anderem durch die Bundesvorsitzende Katja Kipping.
»Es muss sichergestellt sein, dass die Initiative trotz Corona Unterschriften im öffentlichen Raum sammeln kann, gerade auch weil die Bezirksämter geschlossen sind«, fordert Grünen-Wohnungspolitikerin Katrin Schmidberger. »Hier sind Ordnungsämter und Polizei gefragt, dementsprechend zu agieren.« Am Samstag wurden Plakatierteams von Deutsche Wohnen & Co enteignen von der Polizei festgehalten. Unter anderem wurden ihnen Verstöße gegen den Infektionsschutz zur Last gelegt, obwohl es Ausnahmeregelungen für Volksbegehren gibt.
Die SPD-Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin Franziska Giffey ist klar gegen den Volksentscheid: »Ich finde es richtig, dass wir den Wohnungsbestand der öffentlichen Hand deutlich erhöhen. Aber ich halte Enteignung nicht für das richtige Mittel.«
Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat am Montag gar eine Resolution unter dem Titel »Auf Enteignung kann Berlin nicht bauen« verabschiedet. Dort wird das auf Artikel 15 des Grundgesetzes fußende Volksbegehren als verfassungswidrig bezeichnet. »Meine Fraktion steht zum Grundrecht auf Eigentum. Wir warnen davor, wenn hier Alt-Sozialisten die Axt anlegen wollen«, erklärt Fraktionschef Burkard Dregger.
Er liegt damit auf einer Linie mit dem Präsidenten des Immobilienverbands Deutschland, Jürgen Michael Schick. »Kein Investor wird das Risiko mehr eingehen, im sozialistischen Berlin zu investieren, mit ruinösen Folgen für Wohnungsbestand, Wohnungsneubau und die Wirtschaft«, warnt er.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja scheint so übermannt von Gefühlen, dass er etwas kryptisch erklärt: »Wer Rot-Rot-Grün wählt, bekommt das Gegenteil von ›Bauen statt Klauen‹.«
Die linksradikale Interventionistische Linke kündigt hingegen eine bundesweite Unterstützungskampagne für das Volksbegehren an. »Die Berliner Mieter*innen haben mit dem Volksbegehren die Gelegenheit, sich Deutsche Wohnen, Vonovia und Co vom Hals zu schaffen und dem Mietenwahnsinn ein Ende zu setzen«, so die Leipzigerin Carla Büttner. Sie ist Bundessprecherin der Linksjugend Solid.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.