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Ein Land, das unsere Liebe nicht erwidert
DER FEIND STEHT RECHTS: Über Angst, Liebe, Heimat, Sehnsucht und den Tod
»Sie reden immer nur über Angst. Über die Angst vor uns. Dabei sind wir diejenigen, die getötet werden. Die erschossen werden. Denen es verwehrt wird in bestimmten Gegenden zu leben. Und alles was man hört ist: Angst. Es erstaunt mich, warum wir dieses Land so sehr lieben – und dieses Land unsere Liebe nicht erwidert.«
Angst. Liebe. Heimat. Sehnsucht. Tod. Es geht um alles.
Der Mann, der von Photographen umringt diese Worte in eine Kamera spricht, ist Basketball-Trainer in den USA. Er ringt um Worte, hat Tränen in den Augen. Er spricht eindringlich von »wir« und von »sie«. Er selbst ist schwarz. Das »wir« ist die nichtweiße Bevölkerung in den USA. Das »sie« sind die weißen Konservativen, die an dem von ihm beschriebenen Zustand möglichst nichts verändern möchten.
Angst. Angst vor den Anderen, die anders aussehen, anders essen, anders reden, anders leben. Die möglicherweise allesamt kriminell sind. Die Arbeitsplätze wegnehmen und gleichzeitig auf der faulen Haut liegen. Die »uns« unsere Frauen rauben. Denen man möglichst genau auf die Finger schauen muss, weil sie sonst tun und lassen, wie ihnen beliebt. Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.
Nein, Mäuse sind zu niedlich. Ratten.
»Es ist nun mal so: Wo Müll ist, sind Ratten, und wo Verwahrlosung ist, ist Gesindel, meine Damen und Herren, und das muss beseitigt werden in der Stadt. (…) Es ist viel Abschaum und Kriminalität in die Stadt gekommen. Über China, über Russland, über Rumänien und so weiter, meine Damen und Herren.«
Abschaum. Kriminalität. Müll. Ratten. Auch hier geht es gewissermaßen um alles.
Der Mann, der von Abgeordneten umringt diese Worte in einen Parlamentssaal hineinruft, ist der Fraktionschef der CDU im Abgeordnetenhaus Berlin. Zwei Jahre später bildete sich der NSU, um den Müll und die Ratten zu beseitigen. Einige weitere Jahre später wird in CDU und CSU viel über die Brandmauer nach rechts geredet werden, aber nicht ohne zu betonen, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Oder dass man vor 38 Jahren nicht in die CDU eingetreten sei, damit eines Tages 1,8 Millionen Türken nach Deutschland kämen.
Überhaupt die Türken. Also die Muslime. Also die Nafris. Was auch immer. Dumm sind die. Allesamt. Dümmer als alle anderen. Nachzulesen im meistverkauften Sachbuch der vergangenen Jahre. Geschrieben von einem hochrangigen Mitglied der SPD. Währenddessen erzählt ein Innenminister, dass er sich bewusst darüber sei, ausländerfeindliche Ressentiments zu bedienen und ganze Familien in Sippenhaft zu nehmen. Aber nun ja, es geht halt um Muslime. Und Araber. Und Clan-Kriminalität. Da sind die »Chancen größer als die Risiken«. Ein halbes Jahr, nachdem ein Mann losgezogen ist, um in Hanau die Shisha-Bar-Romantik zu beenden. Vielleicht hatte er ja auch einfach nur Angst? Man hört ja so viel über Clan-Kriminalität und Messermigration.
Ein interessantes Detail in Hanau: Man hätte wohl mehrere der Menschen am zweiten Tatort retten können, wenn Vili-Viorel Păun, der den Terroristen vom ersten zum zweiten Tatort verfolgte, mit seinen Notrufen durchgekommen wäre. Aber, tja, in der Tatnacht liefen alle Notrufe nur an zwei Telefonapparaten auf, die zudem nicht einmal durchgehend besetzt sind. Schlechte Organisation. Kein Geld. Solche Sachen. Dumm gelaufen. Vili-Viorel Păun, der sich dem Mörder in den Weg stellte, wird von ihm durch die Windschutzscheibe seines Autos hindurch erschossen. Er könnte noch leben, wenn der gottverdammte Notruf funktioniert hätte. Der zuständige Innenminister hat an anderer Stelle die millionenschwere Antiterror-Software »Gotham« in Betrieb, um den islamistisch motivierten Terror zu bekämpfen. Richtig gelesen. »Gotham« – wie die Heimatstadt von Batman. Um Islamismus zu bekämpfen. Zur gleichen Zeit sterben Muslime, weil der Notruf nicht funktioniert.
Das passiert, wenn man Angst schürt. Vor den Anderen. Die so anders sind, dass sie in einer Regierungspartei nicht Bürgermeister-Kandidat werden dürfen, weil wegen Islam und so. Nicht 1920, sondern 2020. Diese gottverdammte Scheißangst.
»Sie reden immer nur über Angst. Über die Angst vor uns. Dabei sind wir diejenigen, die getötet werden. Die erschossen werden. Denen es verwehrt wird in bestimmten Gegenden zu leben. Und alles was man hört ist: Angst. Es erstaunt mich, warum wir dieses Land so sehr lieben – und dieses Land unsere Liebe nicht erwidert.«
Diese Angst. Vor Menschen, die dieses Land lieben.
Menschen, die erklären wie fleißig und gesellschaftsnützlich ihre Kinder waren. Kurz nachdem sie diese beerdigt haben. Die sich nicht abwenden von diesem Land, sondern immer wieder betonen, dass die Opfer keine Fremden waren.
Es erstaunt mich, warum wir dieses Land so sehr lieben – und dieses Land unsere Liebe nicht erwidert.
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