»Mutter aller Schlachten« fand nicht statt

Irakischer Größenwahn endete in Niederlage - die US-Befreier kamen, um zu bleiben

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die großmäuligen Sprüche des irakischen Präsidenten Saddam Hussein von der »Mutter aller Schlachten«, die nun bevorstehe, löste sich schon nach wenigen Tagen in Wohlgefallen auf. Zwar hatte die irakische Armee im August 1990 den südlichen Nachbarstaat Kuwait ohne größere Probleme okkupieren können, aber der Invasionsarmee der USA und ihrer Verbündeten dann fast nichts entgegenzusetzen. Schon nach reichlich vier Tagen waren die Eindringlinge vertrieben. Mehr als eine dreiviertel Million Soldaten aus 22 Staaten, davon 575 000 aus den USA, standen unter deren Oberbefehl. Nach der Befreiung Kuwaits setzte die US-Armee ihren Vormarsch über die irakische Grenze hinweg fort.

Das nahezu problemlose Roll-back durch die US-Amerikaner war wohl der Tatsache geschuldet, dass sich das internationale Kräfteverhältnis seit 1980 erheblich verändert hatte. Den Krieg Saddams Husseins gegen den Iran (1980-88) hatten die großen Nahostakteure noch mit mehr oder weniger offenem Wohlwollen gesehen: die Golfmonarchien, weil Iran ihnen ein bis dahin mächtigerer Konkurrent im Kampf um die Vorherrschaft in der Region war; Westeuropa und am meisten die USA, weil der 1979 erfolgte Sturz des Schahs in Teheran mit dem abrupten Ende ihrer politischen Dominanz dort verbunden war; und auch die Sowjetunion, weil sie wie andere sozialistische Länder politisch mit Irak verbunden war. Sie lieferten während der gesamten acht Kriegsjahre Waffen und andere strategische Güter an beide Seiten, auch die DDR. Sie trieb es mit ihrer neutralistischen Position geradezu auf die Spitze. Die Rezipienten der DDR-Medien, auch die Leser des Neuen Deutschland, wurden mit dürren, betont nichtssagenden Meldungen über den Kriegsverlauf abgespeist. Der Waffengang wurde in Ost wie West überwiegend mit demonstrativer Nichtachtung gestraft.

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Von all dem konnte Ende 1990/Anfang 1991 nach der irakischen Vereinnahmung Kuwaits keine Rede mehr sein. Diesmal hatte Irak nicht einen mit dem Westen verfeindeten Staat wie Iran, sondern mit Kuwait einen quasi verbündeten Staat angegriffen und drohte gar, auch den ökonomischen wie strategischen Eckpfeiler des Westens in der Region, nämlich Saudi-Arabien, ins Visier zu nehmen. Da schrillten in Washington alle Alarmglocken. Und in der Region selbst? Die Staaten der Arabischen Liga von Marokko bis Oman hatte Bagdad beim Waffengang gegen Teheran mehr oder weniger auf seiner Seite hatte. Jetzt wandten sich gegen ihn; auch die übrigen Nachbarn. Vom damals ungeteilt zu den USA stehenden NATO-Staat Türkei hatte Irak nichts zu erwarten, von Iran schon gar nicht. Und den Machtfaktor eines sozialistische Lagers gab es nicht mehr. Die Führung in Moskau um Michail Gorbatschow befand sich bereits selbst zu sehr in Agonie, als dass sie im Nahen und Mittleren Osten noch als Großmacht hätte in Erscheinung treten können.

Das alles hätte der auch nach dem verlorenen Iran-Krieg noch immer starke Mann in Bagdad leicht zur Kenntnis nehmen können. Die Historiker sind sich nicht einig, warum er das nicht tat. War es der Größenwahn Saddam Husseins, der sich inzwischen als Führer der arabischen Welt aufspielte und dem der anfangs dort nicht sehr laute Protest nach der Invasion Kuwaits zunächst vermeintlich recht gab? Glaubte er, dass sich die Sowjetunion am Ende doch auf seiner Seite militärisch engagieren würde?

Diese Illusion hätte Saddam schon vier Tage nach seinem Einmarsch in Kuwait verloren haben müssen. Hatte es beim Irak-Iran-Krieg 1980-88 sechs Jahre gedauert, ehe es eine UN-Sicherheitsratsresolution zur Beilegung des Konflikts gab und auch die anfangs ohne klare Schuldzuweisung an den Aggressor Irak, so dauerte es nach der Einnahme Kuwaits nur vier Tage, bis der Rat diese verurteilte. In einer weiteren Entschließung im November beschloss der Sicherheitsrat noch eine deutliche Verschärfung. In der Resolution 678 wurden die Staaten der UNO ermächtigt, die Befreiung ihres Mitglieds Kuwait auch mit Waffengewalt zu bewirken. Es gab dazu lediglich zwei Gegenstimmen von nichtständigen Mitgliedern: Jemen und Kuba. Dafür votierten - bei Enthaltung Chinas - alle Staaten mit Vetorecht, also auch die Sowjetunion.

Die Verbände der US Army hatten leichtes Spiel. Doch sie waren nicht nur zur Befreiung Kuwaits gelandet. Sie waren gekommen, um in der Region zu bleiben. US-Stützpunkte und Truppenkontingente gibt es heute regulär in Irak, Bahrain, Katar, Kuwait, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, irregulär auch im Nordosten Syriens. Auch das ist letztlich ein Resultat dieses Krieges am Persischen Golf.

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