Österreich: Blümel und die Dornen der Justiz

Im Spendenskandal um Novomatic wollen die Grünen dem Koalitionspartner ÖVP die Zähne zeigen

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.

Für alle gilt die Unschuldsvermutung, das hört man dieser Tage oft in Österreich. Sie gilt für den Finanzminister Gernot Blümel ebenso wie für Kanzler Sebastian Kurz, sie gilt für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA, für den Glücksspielkonzern Novomatic und für Martina Kurz. Die ist nicht verwandt mit Sebastian Kurz, sondern frühere Aufsichtsrätin der Novomatic, Schwiegertochter von Novomatic-Eigentümer Johann Graf und, wie sie selbst sagt, Namensgeberin für einen Kalendereintrag, der zur Staatsaffäre geworden ist.

Dabei geht es um die Frage, ob Finanzminister Gernot Blümel 2017 Kontakte spielen ließ, um der Novomatic in einem Steuernachzahlungsverfahren in Italien zu helfen. Vor allem aber darum, ob die Novomatic der ÖVP als Gegenleistung eine Spende zukommen ließ. Und eben deswegen gab es eine Hausdurchsuchung der WKStA bei Blümel.

Der Grund dafür liest sich so: »Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problems, das wir in Italien haben! Glauben Sie, geht sich das noch diese Woche aus?? Ig Harald« So der Wortlaut jener SMS, die Novomatic-Chef Harald Neumann am 12. Juli 2017 an Blümel schickte. Neumann und Blümel hatten in den Folgejahren regelmäßig SMS-Verkehr. Daraus ergibt sich ein Bild von Blümel als einer Art Torwächter vor Kurz. In vertraulichem Tonfall geht es um die Neuregelung des Glücksspiels, gemeinsame Abendessen, Termine bei Kurz für Freunde. Und dann ist da auch dieser Eintrag am 25. Juli 2017 im Kalender von Novomatic-Eigentümer Johann Graf. Wortlaut: »Kurz«.

»Ich heiße nicht Martina Kurz, sondern Sebastian Kurz.« Das ließ der Kanzler später wissen. Die ÖVP zwirbelte die Geschichte nun so, als sei lediglich der Kalendereintrag Grund für die Hausdurchsuchung bei Blümel gewesen. Martina Kurz gab sogar eine eidesstattliche Erklärung ab, dass es sich bei dem Eintrag »Kurz« im Kalender ihres Schwiegervaters um sie handle. Nur: Später stellte das Justizministerium klar, dass der Kalendereintrag kein »entscheidender Grund« für die Anordnung der Hausdurchsuchung bei Blümel gewesen sei. Die WKStA habe den Termin »nicht als rechtlich relevant« für die Maßnahme betrachtet. Als »rechtlich relevant« eingestuft worden seien viel eher die SMS zwischen Neumann und Blümel.

Dabei hat die ÖVP sehr gute Gründe, nervös zu sein. Denn das, was als Ibiza-Affäre um die FPÖ im Sommer 2019 seinen Anfang nahm, ist längst eine ÖVP-Affäre auf vielen Schauplätzen. So ist etwa bekannt, dass Parlamentspräsident Sobotka gute Kontakte zur Novomatic pflegte. Auch der Verein »Alois Mock Institut«, dem Sobotka als Präsident vorsteht, erhielt Geld von Novomatic; ebenso das Kammerorchester Waidhofen an der Ybbs, das Sobotka als Hobby dirigiert. Und Sobotka? Der ist Vorsitzender jenes Untersuchungsausschusses im Parlament, der vor allem einen Untersuchungsgegenstand hat: inwieweit die Novomatic die Glücksspielgesetzgebung in Österreich beeinflusste, sich über Parteispenden Einfluss erkaufte und wie diese Spenden über parteinahe Vereine in Parteikassen landeten. Aber befangen sei er nicht, wie er selbst sagt.

Während der Ausschuss unter Leitung Sobotkas für die ÖVP also unter Kontrolle ist, ist es die WKStA keinesfalls. Und keinesfalls neu ist auch die Aversion der ÖVP der WKStA gegenüber: Bereits im Frühjahr 2020 hatte Kurz sie als Netzwerk roter Staatsanwälte bezeichnet. Die aktuelle Eskalation hat aber eine neue Qualität: Jetzt will Kurz die WKStA dem Vernehmen nach auflösen. Und die ÖVP will bei der geplanten Justizreform offenbar auch die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren erschweren und Medien das Zitieren aus Ermittlungsakten verbieten - nach deutschem Vorbild.

Derzeit führen die Grünen das Justizressort. Angesichts einer Serie von Grenzüberschreitungen in der Koalition dürften die Grünen ihre Rote Linie gefunden haben: Sie lehnen einem Umbau der WKStA klar ab. Aus der Parlamentsfraktion, die zuletzt vor allem mit Stille aufgefallen war, kommen scharfe Ansagen: Von einem »gestörten Verhältnis« der ÖVP zur unabhängigen Justiz sprach die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Sie erwarte, dass »die ÖVP ihre unwürdigen Attacken gegen die WKStA einstellt und ihre Energien dorthin richtet, wo sie hingehört, nämlich zur Aufklärung dieser äußerst dubiosen Vorgänge.« Einen Misstrauensantrag gegen Blümel hatten die Grünen aber nicht mitgetragen. Auch einen Aufruf zum Rücktritt gab es nicht seitens der Grünen. Und Blümel? Der kommentierte Rücktrittsaufforderungen nur so: »Das steht nicht zur Debatte.«

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