Sozialisten für Putin
»Gerechtes Russland« fusioniert mit »Patrioten Russlands«
Zu den kommenden Dumawahlen im Herbst in Russland wird eine Liste mit sperrigem Titel und Kürzel antreten: Sozialistische politische Partei »Gerechtes Russland - Patrioten - Für die Wahrheit« (SRSP). Das ist das Ergebnis einer Fusion vom 22. Februar. Da fusionierte die Partei »Gerechtes Russland« (SR) mit zwei weiteren, wesentlich kleineren Parteien - »Patrioten Russlands« und Bewegung »Für die Wahrheit«. Die Aufnahme von »sozialistisch« in den Namen sollte nicht als ein Anzeichen eines Linksrucks missverstanden werden - im Gegenteil, bei der fusionierten Partei stehen patriotische und wertkonservative Inhalte im Vordergrund. »Einiges Russland«, Oligarchen, Neoliberale in der Regierung werden zwar kritisiert, den Präsidenten Wladimir Putin lobt Parteichef Sergei Mironow in hohen Tonen. Rund 6,22 Prozent erhielt »Gerechtes Russland« (SR) bei den vergangenen Dumawahlen 2016 und bildet seitdem mit 23 Abgeordneten die kleinste Fraktion. Bei der Gründung der Partei 2006 war die Bildung eines Zweiparteiensystems nach US-amerikanischem und britischem Vorbild das Ziel, wobei »Einiges Russland« die rechte und »Gerechtes Russland« die linke Flanke abdecken sollte. Dass damals hinter der Gründung der neuen Partei unter der Führung von Sergei Mironow die Administration des Präsidenten Wladimir Putin stand, wurde nicht einmal geheim gehalten. Mironow bekleidete als Duma-Vorsitzender formell das dritthöchste Staatsamt.
Die Designer der politischen Landschaft Russlands aus der Administration wollten der größten oppositionellen Kraft, der Kommunistischen Partei (KPRF), die Wähler abjagen. Als wichtigen Unterschied zur stalinistischen und bisweilen sozialkonservativen KPRF sollte die SR international vorzeigbare Sozialdemokratie darstellen. Auf nationalistische Töne wurde anfänglich verzichtet, die Partei schaffte es, in die Sozialistische Internationale aufgenommen zu werden. Die Wahlergebnisse blieben jedoch bescheiden - von dem Ziel die KRPF zu überholen, blieb die SR stets weit entfernt. Zugleich bot die Partei einigen linken Aktivisten, wie den Gewerkschaftern Oleg Schein oder Alexei Etmanow oder dem Soziologen Boris Kagarlitzki Raum für Wirken und Listenplätze bei den Wahlen.
Die Geschichte der Fusionspartner ist aufschlussreich. »Patrioten Russlands« (PR), scherzhaft »Zyprioten Russlands« in Anspielung an die Offshore- und Geldwäschegeschäfte des Führungspersonals genannt, entstanden 2004/2005 aus einer Abspaltung der KPRF. Der Unternehmer Gennadi Semigin scheiterte mit seinem Versuch, die Macht in der KPRF an sich zu reißen und gründete eine eigene Partei, wobei er die Russländische Partei der Arbeit (RPT), ein Projekt der unabhängigen Gewerkschaften, verschluckte. Seitdem fungierten die »Patrioten« als »Spoiler«-Partei, mit begehrter Registrierung und Wahlzulassung, aber ohne Basis. Bei den Dumawahlen konnten die PR nicht mal ein Prozent erlangen. Mit »Einiges Russland« wirkte Semigins Partei im Rahmen der 2011 geschaffenen Gesamtrussischen Volksfront (ONF) zusammen.
Die Bewegung »Für die Wahrheit« wurde erst im Herbst 2019 geschaffen. Es handelt sich um ein Projekt des Schriftstellers Sachar Prilepin, der auf einen abwechslungsreichen Werdegang zurückblicken kann. Als Angehöriger von einer Polizeispezialeinheit kämpfte er in den beiden Tschetschenienkriegen, schloss sich der Nationalbolschewistischen Partei von Eduard Limonow an, nahm an den oppositionellen Märschen gegen Wahlmanipulation Seite an Seite mit den Linken und Liberalen teil, gründete 2007 zusammen mit Alexej Nawalny die »nationaldemokratische« Bewegung NAROD (»das Volk«), die den Rücktritt Putins forderte und ging als Freiwilliger in die Ostukraine, um dort gegen die »Maidan-Faschisten« zu kämpfen. Prilepin möchte Nawalnys Antikorruptionsagenda besetzen, das machte er von Beginn klar.
Nachdem die neue Partei sich auf Mironow, Prilepin und Semigin als Topkandidaten einigte, wurde schnell klar, dass die Führungsgremien vor allem von Mironows Kadern besetzt werden. Prompt haben etliche Regionalorganisationen der PR unter Protest ihren Austritt angekündigt.
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