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Vorsichtige Reform
US-Repräsentantenhaus verabschiedet Gesetz gegen Polizeigewalt
Nachdem der Schwarze Rodney King Anfang der 1990er Jahre von Polizisten zusammengeschlagen wurde, habe sich nichts geändert. »Doch nun gibt es Smartphones und ein Video nach dem anderen, die die Polizeigewalt im Land dokumentierten«, so die Demokraten-Abgeordnete Karen Bass. Nun könnte sich zumindest etwas ändern, kann man die Ausführungen der Schwarzen Parlamentarierin aus Los Angeles ergänzen. Denn das US-Repräsentantenhaus hat am Freitagmorgen das George-Floyd-Gerechtigkeitsgesetz verabschiedet, welches die Abgeordnete aus Los Angeles schon im vergangenen Herbst eingebracht hat. Im Gedenken an George Floyd, der bei einer Verhaftung durch einen Polizeistiefel auf seinem Nacken getötet wurde, soll das Gesetzespaket dafür sorgen, dass Polizeigewalt wie die in Minneapolis, die im vergangenen Sommer die Black-Lives-Matter-Protestwelle auslöste, in Zukunft seltener stattfindet und Konsequenzen für die Täter in Uniform hat.
Das Gesetzespaket verbietet Würgegriffe durch Polizisten bei Festnahmen, schreibt eine nicht überall im Land praktizierte Datenerfassung zu Polizeikontrollen vor und beendet die Praxis der sogenannten qualified immunity für Polizisten. Die Immunitätsregel für Beamte war ursprünglich eingeführt worden, um unbegründete Klagen gegen Polizisten zu verhindern, hat in der Praxis aber vor allem die strafrechtliche Verfolgung von Polizeigewalt im Dienst unmöglich gemacht. Außerdem würde das Gesetz Bundesmittel in weniger aggressive »community«-Sicherheitsprogramme umleiten und sogenannte no-knock-Hausdurchsuchungen verbieten. Im Zuge einer solchen Hausstürmung ohne Anklopfen war 2020 die schwarze Krankenschwester Breonna Taylor gestorben, als Beamte auf der Jagd nach ihrem Freund des Nachts in ihr Schlafzimmer stürmten.
Außerdem soll eine landesweite Datenbank zu Polizeibeamten mit Missbrauchsgeschichte eingerichtet werden. Denn: Aktuell verlassen Polizisten, die wegen Polizeigewalt als Beschäftigte lokaler Polizeibehörden auffallen oder entlassen werden, in vielen Fällen einfach die Stadt oder den Staat und heuern einfach bei Polizeibehörden anderer Gemeinden an. Laut einer kriminologischen Untersuchung in Florida über einen Zeitraum von 30 Jahren taten dies jährlich rund 1100 der 100 000 Polizisten im Sunshine State.
US-Präsident Joe Biden äußerte am Donnertag seine Unterstützung für das Gesetz. Er hoffe, das »wegweisende« Gesetz schon bald unterschreiben zu können. Im Wahlkampf hatte sich Biden klar gegen die radikalen Forderungen schwarzer Black-Lives-Matter-Aktivisten ausgesprochen, Polizeibehörden die Mittel zu streichen. Auch das neue Gesetz entspricht dieser vorsichtigen Reform des Polizeiwesens, die Aktivisten nicht radikal genug ist, aber einigen moderaten Demokraten in Wechselwählerbezirken, die unter dem Druck von Polizeigewerkschaften stehen, schon fast zu weit geht.
Das Gesetz war im vergangenen Jahr schon einmal im US-Repräsentantenhaus beschlossen worden, im damals von den Republikanern dominierten Senat aber nicht zur anschließenden Abstimmung zugelassen worden. Dies könnte nun passieren, weil die Demokraten im parlamentarischen Oberhaus eine knappe Mehrheit von 51 zu 49 Stimmen haben. Wenn die 60-Stimmen-Abstimmungsregel für Gesetzesprojekte, der sogenannte Filibuster, nicht geändert oder abgeschafft wird, müssten die Demokraten aber zehn Republikaner-Senatoren überzeugen. Deren Partei jedoch stellt sich traditionell als Unterstützer von Polizei sowie von »Recht und Gesetz« dar.
In Minneapolis beklagen Aktivisten, wie wenig sich geändert habe. Der Stadtrat, der sich im Sommer 2020 unter Eindruck der Proteste zunächst für die Auflösung und Neugründung der lokalen Polizei ausgesprochen hatte, änderte seine Meinung später wieder. Am Montag beginnt übrigens der Prozess gegen Derek Chauvin - der weiße Polizist, der sieben Minuten und 46 Sekunden auf Floyds Nacken kniete.
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