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Pekings neuer Paukenschlag
Chinas Nationaler Volkskongress will das Land zu mehr ökonomischer Unabhängigkeit, Wachstum und Entwicklung führen
Wenn Chinas knapp 3 000 Abgeordnete inmitten der weltweiten Pandemie in der Großen Halle des Volkes zusammenkommen, sendet allein die schiere Dimension eine beeindruckende Machtbotschaft in die Welt hinaus. Wie fast jedes Jahr wurde das wichtigste Politereignis der Volksrepublik am Freitag mit einem regelrechten Paukenschlag eröffnet. Dieser trifft die ohnehin bereits brachliegende Opposition Hongkongs.
Die nun ersten Details der von Festlandchina aufgezwungenen »Wahlreform« für die Sonderverwaltungsregion sind nicht weniger als ein endgültiger Todesstoß für das pro-demokratische Lager. Demnach muss jeder Politiker, der künftig für das Parlament kandidieren will, von einem Peking-treuen Komitee abgesegnet werden. Laut Wang Chen, Vize-Vorsitzende des Ständigen Ausschusses, sollen nur mehr »Patrioten« Hongkong regieren dürfen, ohne jedoch näher auf den Begriff einzugehen. Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua titelte vom »demokratischen Wahlsystem mit Hongkonger Eigenschaften«. Rund eine Woche noch wird der Volkskongress dieses Jahr andauern. Aus demokratischer Sicht sind die Sitzungen eine reine Farce, schließlich nicken die Abgeordneten praktisch einstimmig Gesetze ab, die sie nie zuvor gesehen haben. Doch für Beobachter ist die Veranstaltung dennoch ein wichtiger Gradmesser für den zukünftigen Kurs des Landes.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Normalerweise wird vor allem auf eine einzelne Zahl geschaut: das alljährliche Wachstumsziel. Nachdem 2020, also nur wenige Monate nach Ausbruch der Pandemie, erstmals kein konkreter Richtwert ausgegeben wurde, setzt die Staatsführung dieses Mal auf eine Kompromisslösung. Man wolle ein Wachstum von »über sechs Prozent« erreichen, heißt es. Das geradezu bescheidene Ziel bleibt rund zwei Prozent hinter den Prognosen von Ökonomen für Chinas erwartetes Wachstum zurück.
Doch für die Entwicklung des Landes sind es gute Nachrichten, dass sich die Bürokraten nun nicht mehr auf eine überambitionierte Planzahl fokussieren müssen. Wie Premierminister Li Keqiang am Freitag vor dem Kongress begründete, lasse dies mehr Spielraum, um sich auf Reformen und Innovationen zu fokussieren, die sich nicht unmittelbar in empirisch messbarem Wachstum niederschlagen.
In seiner Grundsatzrede ging der auf dem Papier zweitmächtigste Mann des Landes immer wieder auf die Notwendigkeit ein, dass sich die Volksrepublik im Bereich der Hochtechnologie von der Außenwelt unabhängig machen müsse. Die Botschaft ist eindeutig an die Vereinigten Staaten gerichtet, die aus Sicht Pekings mit Handelskrieg und Boykottdrohungen den wirtschaftlichen Aufstieg der neuen Weltmacht sabotieren wollen. Dementsprechend werden Chinas Forschungsausgaben bis 2025 jährlich um sieben Prozent steigen.
Ähnlich hoch fällt auch die Steigerung des diesjährigen Militärbudgets aus. Damit hinkt die Volksrepublik nach wie vor den Vereinigten Staaten deutlich hinterher, und im Gegensatz zu Washington lassen sich in Pekings Militärstrategie auch keine globalen Ambitionen erkennen. Dennoch ist die technologische »Modernisierung« der Volksbefreiungsarmee, wie sie Staatschef Xi Jinping, immer offensiver mit künstlicher Intelligenz und autonomen Waffensystemen vorantreibt, insbesondere für die angrenzenden Nachbarländer in der Region besorgniserregend.
Letztlich kann der streng orchestrierte Volkskongress jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die nach außen vor Selbstbewusstsein geradezu strotzende Staatsführung im Inneren stark verunsichert agiert. Die drastisch gestiegene Zensur und systematische Unterdrückung von Andersdenkenden unter Parteichef Xi Jinping offenbart, dass Pekings Elite vor allem Misstrauen bis Angst vor seiner eigenen Bevölkerung hegt.
Wie paranoid die chinesische Regierung bisweilen agiert, zeigt sich auch bei der Berichterstattung über den Volkskongress am Freitag. Als der US-Sender CNN, der in China ohnehin nur in einigen wenigen Hotels zu empfangen ist, kritisch über die Wahlreform für Hongkong berichtet, bricht der Fernsehempfang im Land plötzlich ab.
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