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Kita dicht trotz Phase Grün
Thüringen: In Ilmenau eskaliert ein Streit um Betreuungszeiten
Wie so oft ist der Einzelfall dramatisch. So dramatisch, dass die Mutter des Kindes, das vor Kurzem seinen Kindergartenplatz verloren hat, jüngst bei einem Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht in Ilmenau fleht: »Bitte, helfen Sie mir, helfen Sie meinem Sohn!« Umso ernster muss man diese Worte nehmen, weil das Kind das hat, was im Juristendeutsch »frühkindliche Entwicklungshemmnisse« heißt. Die Geschichte hinter diesem Fall betrifft auf einer abstrakteren Ebene Eltern in allen Teilen Thüringens, die sich in den vergangenen Monaten darüber geärgert haben dürften: Kindergärten, die die Betreuungszeiten reduziert und das mit der Coronapandemie begründet haben. Selbst im Sommer 2020, als es in Thüringen über Wochen hinweg kaum Coronafälle gab und die Kindergärten in der Regel in der Stufe Grün des für sie geltenden Pandemiekonzepts arbeiteten.
In diesen Monaten trug sich - nach den unstrittigen Schilderungen vor dem Amtsgericht - im Kern dies zu: Der Träger des Kindergartens, die Bildungswerk Großbreitenbach gGmbH, verkürzte die Betreuungszeiten für die Kinder. Man schloss früher - trotz Phase Grün. Dem Vater des Kindes missfiel das. Auch, weil die Mutter in dieser Zeit schwer erkrankte. Seinen Ärger trug er an Kindergartenleitung und -träger heran.
Nach einem Gespräch Mitte Januar 2021, das die angespannte Stimmung eigentlich entspannen sollte, dann der Knall: Der Träger warf dem Vater vor, einen Audiomitschnitt des Gesprächs angefertigt, daraus ein Protokoll erstellt und das unberechtigt weitergegeben zu haben. Der Vater bestreitet das. Trotzdem kündigte der Träger den Betreuungsvertrag außerordentlich und begründete das mit dem zerrütteten Vertrauensverhältnis zu dem Vater.
Der Vorsitzende Richter, Leonhard König, lässt zu Beginn der Verhandlung erhebliche Zweifel daran erkennen, dass die Kündigung rechtens war. Eben weil es derzeit nichts weiter als den Vorwurf gibt, es gebe einen illegalen Gesprächsmitschnitt. Die Ermittlungen dazu laufen. »Es gibt meiner Meinung nach nicht genügend Anhaltspunkt, um zu sagen, es hat ein Mitschnitt stattgefunden«, sagt König.
Die Verhandlung dreht sich aber auch immer wieder darum, dass der Kindergarten die Öffnungszeiten selbst in Stufe Grün reduziert hat, also den Anlass des Streits. Die Geschäftsführerin des Trägers und ihre Anwältin verteidigen das Vorgehen noch immer: »Wir haben eine Pandemiesituation.« Selbst in der Stufe Grün gebe es da einen Mehraufwand für die Träger, etwa weil viel zusätzlich desinfiziert werden müsse, »so dass auch die Öffnungszeiten hier angepasst werden müssen«. Der Anwalt der Eltern sieht das anders. Die Sache mit dem angeblichen Mitschnitt sei »an den Haaren herbei gezogen«. Der Vater solle ruhiggestellt werden, weil er es gewagt habe, die Verkürzung der Öffnungszeiten zu kritisieren, die vertragswidrig gewesen sei.
Diese Frage wird erst noch durch ein oder sogar mehrere Gerichte entschieden werden müssen. Aus dem Thüringer Bildungsministerium, das den Ilmenauer Einzelfall nicht kommentieren will, heißt es aber, dass es grundsätzlich nicht einzusehen sei, dass Träger Reduzierungen der Betreuungszeiten in der Stufe Grün mit einem coronabedingten Mehraufwand rechtfertigten, so ein Sprecher des Ministeriums nach dem Ende des Verhandlungstages. Er verweist darauf, dass das Land seit Monaten Millionen und Abermillionen Euro in den Kindergartenbereich steckt, um zu verhindern, dass Erzieher coronabedingt entlassen werden müssen - »oder dass es Abstriche bei der Betreuung gibt«. Dann noch dieser Satz: »Die Hygienemaßnahmen in Stufe Grün sind so, dass sie den Betreuungsumfang nicht einschränkten dürften.« Kritisch sei dagegen, »dass wir schon beobachtet haben, dass Träger versucht haben, ihre Kosten zu optimieren und das mit der Pandemie begründet haben«.
Für das Kind hat dieser Verhandlungstag immerhin ein kleines Happy End. Vater, Mutter und auch der Träger stimmen nach beharrlichem Drängen des Richters einem Vergleich zu: Der Junge darf wieder in den Kindergarten, sein Vater das Gebäude nur im Ausnahmefall betreten.
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