Unter der Haube Hass und Nationalismus
Stiftung Garnisonkirche Potsdam hat ein Konzept für die künftige Dauerausstellung im Turm
»Sie können jetzt die Helme abnehmen«, sagte Wieland Eschenburg vom Vorstand der der Stiftung Garnisonkirche Potsdam. Auf der Baustelle ist es Pflicht, Schutzhelme zu tragen. Aber der Hinweis hat einen ganz leisen Anklang an das »Helm ab zum Gebet!«, das einst in der Potsdamer Garnisonkirche erscholl. Auch die Mahnung, nur von Sicherheitspersonal begleitet durch die Etagen des gerade im Wiederaufbau befindlichen Kirchturms zu gehen, um nicht zu stolpern, kann als Anspielung aufgefasst werden. Denn geschichtliche Stolpersteine gibt es bei der Garnisonkirche in der Tat auf Schritt und Tritt.
Glaube, Macht und Militär
Am Freitag wurde das Konzept der im Turm des umstrittenen Neubaus geplanten Dauerausstellung vorgestellt. Zuvor hatte das Kuratorium der Stiftung es gebilligt. Es trägt die Überschrift: »Glaube, Macht und Militär: Die Garnisonkirche Potsdam.« Altbischof Wolfgang Huber wies darauf hin, dass der originale Turm der Barockkirche leer gewesen sei und seine Kopie nun neben der Etage für die Dauerausstellung eine weitere für Wechselausstellungen, für Konferenzen und anderes erhalten werde.
Kuratorin Maria Schultz stellte Ziele und Bestandteile der künftigen Ausstellung vor - die derzeit noch aus nichts anderem als diesen Plänen besteht, aber Ende des kommenden Jahres auf 250 Quadratmetern eingeweiht werden soll. Schultz erinnerte daran, wie am 5. März 1933 zwei Drittel der Deutschen bei der Reichtagswahl gegen die Weimarer Demokratie und den Pluralismus gestimmt hätten. Die Errichtung der Nazidiktatur war zu diesem Zeitpunkt schon in vollem Gange. Mitglieder der SPD, vor allem aber der KPD, seien eingeschüchtert, verhaftet, in den Untergrund getrieben worden. Die Garnisonkirche sei bereits in den Jahren zuvor ein Treffpunkt der antidemokratischen und antirepublikanischen Rechten gewesen. Und am »Tag von Potsdam«, dem 21. März 1933, sei bei der feierlichen Reichstagseröffnung in dieser Kirche die Allianz von konservativer Elite und faschistischer Bewegung auch äußerlich in aller Form besiegelt worden. Die »königliche Hof- und Garnisonkirche«, die im 18. Jahrhundert auf Anordnung des preußischen Königs errichtet worden war, hatte in den Jahren vor ihrem Ende ihre Rolle in der antidemokratischen, nationalistischen Symbolpolitik zu spielen. Dies alles werde in der Ausstellung thematisiert, versicherte die Kuratorin, auch ihre Zerstörung durch Bomben im Zweiten Weltkrieg und die Sprengung der Ruine 1968 in der DDR - wie auch die Proteste dagegen. Wiederfinden werde sich auch die extrem kontrovers geführte Debatte im Vorfeld des Beschlusses zum Wiederaufbau nach der Wende und die politische und publizistische Begleitung des Wiederaufbaus seither. Schultz versprach für die Dauerausstellung in diesem das Stadtbild erneut sehr prägenden Gebäude ein »kritisches Bild der preußischen und deutschen Geschichte«.
Das Problematische präsentieren
Dass es sowohl Gründe gebe, die Kirche wieder aufzubauen, als auch solche, das zu unterlassen, räumte der Kuratoriumsvorsitzende, Professor Paul Nolte, freimütig ein. Zweifellos sei der »Tag von Potsdam« mit dem Hauptschauplatz Garnisonkirche »keine unglückliche Verirrung« in einer ansonsten lupenreinen Kirchengeschichte gewesen, kein einzelner »Fleck auf dem ansonsten schönen barocken Kleid«. Für ihn spreche aber vieles dafür, die problematische Geschichte an genau diesem nachgebauten originalen Platz zu präsentieren, »auch wenn es das nach wie vor fehlende preußische Geschichtsmuseum nicht ersetzen kann«. Spannung und Lasten würden in diesem Gebäude deutlicher als »in einem Glaskasten«, den zu bauen auch möglich gewesen wäre. »Wir brauchen die Orte der Erinnerung als demokratische Lernorte«, äußerte Nolte. Sich von der Last der Geschichte zu befreien, könne eben nicht in ihrer Tilgung bestehen, sagte der Professor mit Blick auf den Reichstag in Berlin, »den man jetzt wieder so nennen darf«, das neue Humboldt-Forum oder auch das Landtagsschloss in Potsdam. Er kenne kein Beispiel dafür, dass sich die Rekonstruktion von Zerstörtem nicht letztlich als Gewinn erwiesen hätte. Nolte wies darauf hin, dass es sich bei den Ausstellungsstichworten »Glaube, Macht und Militär« um Begriffe handelt, denen der Zeitgenosse zunehmend entfremdet sei.
Die Ausstellung wird laut Kuratorin Schultz eine Million Euro kosten, wofür bei Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und beim Verteidigungsministerium Mittel beantragt worden seien.
Verzicht auf Turmhaube gefordert
Derweil wandten sich knapp 100 Wissenschaftler und Künstler in einem offenen Brief an Grütters und den wissenschaftlichen Beirat der Stiftung. Sie forderten, auf eine Nachbildung der Kirchturmhaube zu verzichten. Diese sei »zu einem Symbol des problematischen Nationalprotestantismus geworden, der in dieser Kirche gepredigt wurde und der Obrigkeitshörigkeit, Nationalismus, Militarismus und den Hass auf fremde Völker christlich legitimierte«.
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