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Verluste für die AfD verschärfen die internen Machtkämpfe
Rechtsaußenpartei büßt bei den Landtagswahlen ein Drittel ihrer Wählerschaft
Wer verstehen will, wie die AfD bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg abgeschnitten hat, sollte nach Pforzheim und Mannheim schauen. In beiden Großstädten verlor die Partei am Sonntag ihre einzigen beiden Direktmandate im Südwesten – bezeichnenderweise an Kandidat*innen der Grünen. Auf den zweiten Blick sind die Ergebnisse beispielhaft für den Zustand der Partei im Ländle: Direktkandidat Bernd Grimmer büßte in Pforzheim im Vergleich zur Landtagswahl 2016 mehr als acht Prozentpunkte ein, kam aber immer noch auf ein Ergebnis von 15,8 Prozent. Ähnlich lief es in Mannheim.
Die AfD verlor landesweit gegenüber 2016 etwa ein Drittel ihrer Wählerschaft, erreichte am Ende laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 9,7 Prozent und stellt damit künftig nur noch die kleinste Fraktion im Stuttgarter Landtag.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Dass der Absturz keine Überraschung ist, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Bei der Europawahl 2019, der letzten landesweiten Abstimmung in Baden-Württemberg, holte die AfD ebenfalls nur zehn Prozent, die Zahl der für die Rechtsaußenpartei absolut abgegebenen Stimmen ist mit 473 000 nur unwesentlich geringer als 2019. Das legt den Schluss nahe, dass die AfD ihr Wählerpotenzial aktuell ausschöpft und dieses zugleich im Südwesten ihrer Stammwählerschaft entspricht. Expert*innen bewerten die Situation ähnlich: »Ich finde die Wahlverluste der AfD nicht beruhigend. Fast zehn Prozent der Wähler*innen haben eine extrem rechte Partei gewählt, eine Stammwählerschaft etabliert und demokratiefeindliche Milieus verfestigen sich«, twitterte der Politikwissenschaftler und Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank.
Diese Nibelungentreue zur AfD ist umso bemerkenswerter, weil die Partei in den vergangenen Jahren vor allem durch Streit und Machtkämpfe Schlagzeilen produzierte. In Erinnerung blieb die monatelange Spaltung der Fraktion im Jahr 2016, weil sich die Abgeordneten nicht auf einen Umgang mit dem inzwischen aus der AfD ausgeschlossenen Antisemiten Wolfgang Gedeon einigen konnten. Von den anfangs 23 Mitgliedern der Fraktion sind heute nur noch 15 übrig.
Im neuen Stuttgarter Landtag wird die AfD 17 Abgeordnete stellen. Deren Vorsitzender soll mit hoher Wahrscheinlichkeit eigentlich wieder Spitzenkandidat Bernd Gögel heißen. Doch das schwache Abschneiden bei der Landtagswahl dürfte den Richtungskampf in der AfD weiter anheizen. Der formal aufgelöste »Flügel« ist in Baden-Württemberg für einen westdeutschen Landesverband vergleichsweise stark organisiert. Gögel vertritt wie der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, ebenfalls aus Baden-Württemberg stammend, die Linie einer verbalen Mäßigung.
Genau diese Strategie dürfte nun umso lauter infrage gestellt werden, verlor die AfD doch auch bei der Wahl in Rheinland-Pfalz 4,3 Prozentpunkte und kam am Ende auf nur noch 8,3 Prozent. Spitzenkandidat Michael Frisch, früher CDU-Mitglied, versuchte die AfD ganz im Sinne Meuthens als konservativ-bürgerliche Partei zu inszenieren.
Eben diese Linie versucht der Bundesvorsitzende in einer ersten Wahlanalyse als richtig zu verteidigen. Auf Facebook schreibt er von einer Konsolidierungsphase, in der sich die Partei aktuell befinde. »Da muss man sich insbesondere von Leuten trennen, die sich als nicht politiktauglich erwiesen haben«, so Meuthen und spricht dabei – ohne Namen zu nennen – unter anderem von Mitgliedern, die »sich in einem permanenten Krawallmodus gefielen«.
In eine andere Richtung geht die Wahlanalyse des Co-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla. »Programme müssen mit Personen verbunden werden. Das ist uns in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg diesmal nicht gelungen«, so Chrupalla gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Seine Äußerung kann nicht nur als Kritik an eher blassen Spitzenkandidaten bei den beiden Landtagswahlen verstanden werden, sondern verweist auch auf eine erneute Machtprobe, die demnächst in der Partei ansteht.
Noch ist sich die AfD nämlich nicht einig darüber, ob sie auf dem Bundesparteitag Mitte April in Dresden über mögliche Spitzenkandidaturen zur Bundestagswahl entscheidet. Während Meuthen dies zu verhindern sucht, spricht sich Chrupalla dafür aus. Ihm selbst werden Ambitionen auf diese Position nachgesagt; ebenso gilt dies für die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel. Würden sie und Chrupalla als Spitzenduo gewählt, käme dies einer Abstimmung über Meuthen und dessen Linie gleich. Der Vorsitzende ist zwar noch bis nach der Bundestagswahl sicher an der Parteispitze, weil erst danach ein neuer Bundesvorstand bestimmt wird. Doch seine innerparteilichen Gegner*innen werden ihm seine Arbeit so schwer wie möglich machen.
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