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Polizeiarbeit ist kein Lauf-Event
Meine Sicht: Martin Kröger über einen immer populistischer agierenden Innensenator
Die Öffentlichkeitsarbeit und die Vermittlung von Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung sind seit Langem ein populistisches Spielfeld. In den vergangenen Jahren haben sich allerdings die Akteur*innen aus den Innenbehörden und Polizeigewerkschaften, flankiert durch oftmals reißerische Berichterstattung, regelrecht radikalisiert. Zuspitzungen, wie die am Montag von Innensenator Andreas Geisel (SPD) verbreitete - »Polizei und Justiz machen sehr deutlich, dass unsere Stadt nicht den Clans gehört« - wären vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Schließlich ist diese Art von Kollektivhaftung in Deutschland aus gutem Grunde untersagt. Früher nannte man das Sippenhaft, wer von den Behörden so definiert wurde, konnte für seine Familienzugehörigkeit im Konzentrationslager eingesperrt werden.
Man fragt sich besorgt, wo all jene Polizistinnen und Polizisten geblieben sind, die dieses historische Bewusstsein besaßen und ganz exakt nach Täterinnen und Tätern sowie Verdächtigen unterschieden haben. Noch mal: Ein Familienname darf bei der Polizeiarbeit keine Rolle spielen. In Berlin tut er es aber offensichtlich inzwischen, und das ist ein Problem.
Die ganze medial hochgezogene »Clan«-Debatte vernebelt dabei, dass die Polizei im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität häufig keine gute Figur macht, auch, weil die technische und personelle Ausstattung nicht gegeben ist. Es bedarf dann schon Zufallsfunden wie der vor Kurzem entschlüsselten Kommunikation über sogenannte Krypto-Handys, damit die Behörden einen Einblick in das Wesen krimineller Strukturen erhaschen. Die Ermittlerinnen und Ermittler noch stärker mit den richtigen Ressourcen auszustatten, damit sie an die wirklich kriminellen Ebenen und die besonders relevanten Finanzströme gelangen, das wäre die Aufgabe eines Innensenators. Nicht dass effekthascherische Palaver über »Clan«-Bekämpfung als Marathon. Polizeiarbeit ist kein Sportevent, Herr Geisel!
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