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Immer weniger Platz für Frosch & Co.
BUND beklagt Verschwinden vieler Kleingewässer in Berlin - Report zu vier Bezirken liegt jetzt vor
Eine Ahnung davon, wie schlecht es um die vielen Teiche und Tümpel in Berlin bestellt ist, überkam Norbert Prauser Ende 2019. Von Hause aus Gartenbauingenieur und spezialisiert auf Landschaftspflege, sieht er die Stadt wohl häufig aus einem anderen Blickwinkel als manch einer. »Zwischen Weihnachten und Silvester wurde mir im Britzer Garten langweilig, und da bin ich einfach mal durch die große Parkanlage Richtung Alt-Mariendorf gelaufen«, erinnert er sich. Was er dort sah, hat ihn schockiert: Dort, wo der Gänsepfuhl hätte sein müssen, stand er vor einer Senke, geeignet für den Einsatz des Rasenmähers. Kein Wasser weit und breit. »Im gesamten Umfeld des Britzer Gartens habe ich weitere elf völlig verschwundene Pfuhle entdeckt.«
Seit 2007 gehört Norbert Prauser dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) an. Er untersuchte den Zustand von zunächst 237 Kleingewässern mit weniger als einem Hektar Wasserfläche in Marzahn-Hellersdorf, Neukölln, Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg erstmalig flächendeckend und exemplarisch für ganz Berlin. »Ungefähr 40 Prozent der aufgesuchten Kleingewässer sind inzwischen, wie sich zeigt, zugewachsen mit Schilf. Die erwachsenen Frösche können da zwar noch ein bisschen aushalten, aber für den Nachwuchs sieht es ganz schlecht aus«, sagt er. Andernorts seien viele Pfuhle seit Langem verlandet und sogar bewaldet.
Wie es um die Pfuhle, Weiher, Teiche, Tümpel und künstliche Regenrückhaltebecken in den vier Bezirken bestellt ist, findet sich im »BUND-Kleingewässerreport Berlin 20/21« wieder. Dokumentiert sind 224 Kleingewässer, denn 13 Objekte habe man nicht bewerten können, da zu ihnen der Zugang, bisweilen sogar die Einsicht verwehrt blieb.
»Der Berliner Wasserhaushalt wird nicht nur von seinen weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten großen Seen und Flüssen geprägt, sondern auch von den zahlreichen kleineren und unscheinbareren Gewässern«, heißt es in dem Report. Gerade diese Kleingewässer - das Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei kommt auf über 400 - hätten eine herausragende Rolle für die Naherholung, wirkten sich positiv auf das Stadtklima aus, dienten einer nachhaltigen Regenwasserbewirtschaftung und seien für den Artenschutz und vor allem den der Amphibien überaus wichtig. Doch sie seien zunehmend durch ausbleibende Niederschläge, Grundwasserabsenkung und schadstoffbelastete Zuflüsse gefährdet.
Die im Sommer 2020 vorgenommenen Untersuchungen belegen, dass 55,3 Prozent der Gewässer große Mängel aufweisen. »Am häufigsten lagen die Gewässer trocken oder waren sehr stark zugewachsen«, heißt es. »Fast zehn Prozent der Kleingewässer waren zum Beobachtungszeitraum als solche gar nicht mehr erkennbar.«
Ein Grund für das Verschwinden der Gewässer sei mangelnde Pflege - nicht zuletzt infolge ihrer Unterfinanzierung in bezirklicher Obhut. Aus dem Haushaltsplan von Berlin gehe hervor, dass in den letzten drei Jahren kaum und in einem Bezirk sogar gar kein Geld für die Kleingewässerunterhaltung bei der Senatsverwaltung beantragt wurde. Zudem seien diese Mittel nicht zweckgebunden und für andere Vorhaben verwendbar.
»Die Stadt muss sich jetzt entscheiden, ob es hier in Zukunft überhaupt noch Frösche und Kröten geben soll, oder ob diese nur noch im Tierpark begutachtet werden können«, so Norbert Prauser. Der BUND fordert die systematische Erfassung und das regelmäßige Monitoring aller Kleingewässer der Stadt. Zur Sicherung der Amphibienbestände müsse rasch ein Notprogramm aufgestellt werden.
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