The Empire Strikes Back

IN SCHLECHTER GESELLSCHAFT: Was sollen eigentlich die Mobbingvorwürfe gegen Meghan Markle an ihren Rassismus-Schilderungen ändern?

  • Sibel Schick
  • Lesedauer: 4 Min.

So viel Drama, heißt es, mehr als man verträgt, mehr als schmeckt. Dabei handelt es sich kein bisschen um ein Drama, sondern um ein junges Ehepaar, das sich gegen eine 1200 Jahre alte Institution wehrt, unter anderem durch Schilderungen von Rassismus. Man kann denken, dieser hoffnungslose Kampf sei verloren, bevor er begann.

Als Markle schwanger war, habe es in der Königinnenfamilie Gespräche über die Hautfarbe des ungeborenen Kindes gegeben, habe Harry ihr erzählt. Das berichtet Meghan Markle im Interview mit Oprah Winfrey. Man kann sich fragen: Was ist denn mit seiner Hautfarbe? Markle mag eine Schwarze Mutter haben, dennoch wird sie selber als weiß wahrgenommen. Das nennt man white passing: Als weiß zu passieren, durchzukommen. Tja, da sieht man, inwieweit man durchkommt, wenn man von Rassismus umgeben ist: kein bisschen.

Sibel Schick
Sibel Schick ist Autorin und Journalistin. Sie wurde 1985 in der Türkei geboren und zog 2009 nach Deutschland. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »In schlechter Gesellschaft«.

Jetzt verkündet das Königinnenhaus, eine Anwaltskanzlei beauftragt zu haben, den Mobbingvorwürfen gegen Markle auf den Grund zu gehen. Meghan soll, während sie in Buckingham Palace lebte, zwei Angestellte der Royals so schlecht behandelt haben, dass diese ihren Job aufgaben. Wäre unschön, wenn es wahr ist, würde aber ihre Rassismusschilderungen nicht unglaubwürdig machen.

Meghan Markle berichtet im Interview mit Winfrey auch von Einsamkeit und Gefangenheit im Palast, zum Beispiel, dass sie bei ihrem Einzug ihren Personalausweis und Führerschein abgeben musste: Szenen, bei denen man an Menschenhandel denken muss. Als die Schmutzkampagnen der Boulevardpresse begannen, sei ihr von den Royals zwar Schutz versichert, aber nie gewährt worden. Sie hätte reale Suizidgedanken gehabt, praktische Vorstellungen, wie sie sich das Leben nehmen würde. Diese habe sie auch der Personalabteilung (!) des Königinnenhauses mitgeteilt. Dort habe es geheißen, man könne ihr nicht helfen, weil sie nicht angestellt sei. Als ihr trotz vermehrter Morddrohungen der versprochene Schutz verwehrt wurde – so sei dieser Job, das hätten alle durchmachen müssen – habe sie sich gefragt, ob Rassismus dabei eine Rolle spielen könnte.

Der Job, den hätte Meghan Markle machen müssen, war nicht eben so, und das, was sie bis heute durchmacht, mussten nicht eben alle durchmachen. Sie ist die erste Schwarze und geschiedene Frau, die in die königliche Familie geheiratet hat, dazu nicht adlig und als Schauspielerin bekannt. Die Obersten mögen ihre Kunst zwar gerne konsumieren, die Kunstschaffende bleiben für sie dennoch Kreaturen der Unterwelt. Markle ist die erste ihrer Art, ihr Weg wurde bisher von niemandem beschritten.

Bei Rassismusschilderungen von unten nach oben darf der Verdacht, dass Betroffene lügen, ja nicht fehlen. So schreibt Patrick Schwarz in der »Zeit«, dass das Paar das Ganze mit Rassismus frei erfunden haben könnte für seine Existenzgründung. Markle war vor der Ehe kein unbeschriebenes Blatt, sie wuchs in mittelständigen Verhältnissen auf, war also nicht einmal arm. Das ist allerdings egal. Bei Konflikten, in denen die Machtverhältnisse nicht übereinstimmen, richten Menschen ihre Skepsis zuerst nach unten. Das ist der Grund, wieso die Hemmschwelle so hoch, erlebte Diskriminierung öffentlich zu machen, wenn das Gegenüber so alteingesessen und mächtig ist wie die Royals. Die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffenen gleich geglaubt wird, ist ziemlich gering. Das wissen auch Betroffene und dieses Wissen hält sie oft davon ab, sich überhaupt zu äußern.

Nun steht der Vorwurf gegen Markle im Raum, eine Mobberin zu sein. Ihre Anwälte sprechen von einer Schmutzkampagne. Selbst wenn sie eine Mobberin sein sollte – was ändert dies am Sachverhalt? Ein Mensch kann gleichzeitig mobben und rassistisch diskriminiert werden – das eine schließt das andere nicht aus. Also, worum geht’s hier eigentlich?

Die Antwort ist simpel: Um Macht. Das Problem ist, dass Diskriminierungen von betroffenen Minderheiten definiert werden sollen und Markle gerade vor der ganzen Welt gegen eine riesige Institution kämpft. Sie führt ihren Kampf weiter, obwohl sie von allen denkbaren Fronten heftigst angegriffen wird. Wenn sie gewinnt, wenn sie ihre Erfahrung selber als Rassismus definieren darf, beeinflusst das jede denkbare Ebene, auf der Rassismus stattfindet. Alle, die sich als weiß verstehen, fühlen sich gerade also von Markle bedroht, es geht ihnen nämlich um Machtverlust.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -