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Keine Ermittlungen im Fall Manuel Diogo
Streit um Tod von DDR-Vertragsarbeiter - Staatsanwaltschaft geht nicht von Fremdeinwirkung aus
Wie stark war Rassismus in der DDR-Gesellschaft verbreitet und welche Ausmaße hatte die rassistische Gewalt? Über diese Fragen wird seit einigen Jahren mehr oder weniger öffentlich gestritten. Zivilgesellschaftliche Initiativen, Medienprojekte und Politiker fordern mittlerweile die Aufklärung ungeklärter Todesumstände von ausländischen Vertragsarbeitern (»nd« berichtete).
Ein Fall, der in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wird, ist der des Mosambikaners Manuel Diogo. Dieser wurde im Juni 1986 nahe Borne leblos im Zuggleis aufgefunden. Die Sicherheitsbehörden der DDR sprachen von einem Unfall. Ibraimo Alberto, damaliger Freund und Gruppenleiter von Diogo, berichtete jedoch, dass man ihm in der mosambikanischen Botschaft eine andere Geschichte erzählt habe. Demnach sei sein Kollege in Wirklichkeit von Neonazis verprügelt und dann aus dem Zug geworfen worden. Die unterschiedlichen Varianten wurden jeweils von Wissenschaftlern und Medien gestützt. Für die These des Unfalls machten sich der Historiker Ulrich van der Heyden sowie die »Berliner Zeitung« stark, für die These des Naziangriffs der Historiker Harry Waibel sowie der MDR. In beiden Medien wurde trotz der schwierigen Rekonstruktionslage ausführlich über den Fall berichtet.
2020 stellte die Brandenburger Linke-Politikerin Andrea Johlige eine Kleine Anfrage an die Landesregierung, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Der Fall wurde so erneut untersucht. Nach rund acht Monaten erklärte nun die Staatsanwaltschaft Potsdam, dass sie keine strafrechtlichen Ermittlungen zum Tod von Diogo aufnehmen wird. Bei der Überprüfung des Falls hätten sich weder Anhaltspunkte für ein Tötungsdelikt noch für Manipulationen in den Unterlagen ergeben, bestätigte Staatsanwältin Hanna Urban gegenüber »nd«. Man habe die Ermittlungsakte aus dem Jahr 1986 sowie die Akten der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen eingesehen, dazu wurden »Auskunftspersonen« befragt. »Im Ergebnis war nicht von einer todesursächlichen Fremdeinwirkung auszugehen, weshalb der Staatsanwaltschaft die Aufnahme von Ermittlungen verwehrt war.« Die Sprecherin wies dennoch darauf hin, dass keine strafrechtlichen Ermittlungen geführt wurden, sondern man lediglich geprüft habe, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorliegen.
Die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft wird unterschiedlich aufgenommen. Andrea Johlige findet es begrüßenswert, dass die Staatsanwaltschaft Potsdam den Hinweisen nachgegangen ist. In anderen Bundesländern sei das bei immer noch ungeklärten Todesfällen von Vertragsarbeitern nicht passiert. Ihr Job als Abgeordnete sei es, bei solchen Fällen Druck zu machen. Nun sei der Fall für sie aber abgeschlossen, so die Linke-Politikerin. Zumindest, »wenn keine weiteren Hinweise auftauchen«.
Der MDR kündigte derweil an, die eigenen Produktionen auf den Prüfstand zu stellen. »Die Staatsanwaltschaft Potsdam sieht nach intensiver Überprüfung keine Anhaltspunkte für ein Tötungsdelikt im Fall Manuel Diogo«, sagte die MDR-Sprecherin Julia Krittian gegenüber »nd«. Die Programmdirektion Leipzig prüfe vor diesem Hintergrund die damaligen MDR-Recherchen. »Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir den Sachverhalt sorgfältig klären wollen, ehe wir uns konkreter äußern«, so die Sprecherin weiter.
Der Historiker Harry Waibel sieht dagegen die Entscheidung der Potsdamer Staatsanwaltschaft kritisch. »Es gibt weiterhin ernsthafte Zweifel an der Version ›Unfalltod‹ eines Alkoholisierten«, sagte der Forscher gegenüber »nd«. »Wurde mit den ehemaligen drei oder vier Begleitern von Diogo, die im Zug waren, gesprochen?« Bereits damals hätten Transportpolizei und auch das Ministerium für Staatssicherheit darauf verzichtet, die Begleiter von Diogo zu befragen, so Waibel. Eine »qualitative Wende« in diesem Fall sei für ihn daran gebunden, ob mögliche Zeugen gehört werden oder nicht. Zudem fragte der Historiker, ob Hinweise auf einen Täter untersucht wurden, die von mehreren Personen aus Bad Belzig geäußert und der Staatsanwaltschaft übermittelt worden wären. »Der vermeintliche Täter hatte sich insoweit geäußert, dass er 1986 einen Afrikaner aus einem Zug der Deutschen Reichsbahn geworfen habe und dafür mit Freiheitsentzug bestraft wurde.« Waibel geht davon aus, dass der vermeintliche Mord von DDR-Behörden vertuscht worden war.
Von der Staatsanwalt hieß es, dass man von der Beantwortung weitergehender Fragen, »insbesondere zu einzelnen Auskunftspersonen«, absehe. Die Wahrung des Persönlichkeitsschutzes und »prüfungstaktische Erwägungen« würden dagegen sprechen, so die Behörde. Ob diese Erklärung alle Kritiker der Unfallthese zufriedenstellt und das letzte Wort damit gesprochen ist, scheint ungewiss. Die öffentliche Debatte wird womöglich aber vorerst an anderer Stelle weitergehen.
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