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Täglich grüßt das Drogendrama
Die Miniserie »Caid« erzählt von den Träumen eines Regisseurs und eines rappenden Dealers
Das Gangster-Genre hat seit Jahren Konjunktur in der Film- und Serienindustrie. Dass dabei das Bild des Drogendealers trotz aller mitunter auch kritischer Darstellung von Gewalt in Serien wie »Narcos« oder »Breaking Bad« dennoch eine popkulturelle Verklärung erlebt, ist fester Bestandteil dieses Hypes.
Wie wirkmächtig dieses medial erzeugte Bild auch in Krisenregionen wie Mexiko ist, wo in den vergangenen Jahren im Zuge des sogenannten Drogenkrieges Hunderttausende Menschen ermordet wurden, darauf wies kürzlich der Politikwissenschaftler Timo Dorsch in seinem Buch »Nekropolitik: Neoliberalismus, Staat und organisiertes Verbrechen in Mexiko« (Mandelbaum-Verlag) hin. Insofern ist ein kritisches Hinterfragen der medialen Verwertung von Bildern der Drogenkriminalität und der sie flankierenden kulturellen Stereotypen zu begrüßen. Das versucht auch die Netflix-Serie »Caid«, die in zehn sehr kurzen Episoden von gerade einmal jeweils zehn Minuten Länge von einem Filmteam erzählt, das in einer Banlieue von Marseille das Musikvideo eines rappenden Drogendealers drehen soll. Wobei bei dem Dreh so ziemlich alles schiefgeht, denn Filmemacher Franck und Kameramann Thomas geraten zwischen die Fronten eines Bandenkrieges.
»Caid« wurde ursprünglich als Spielfilm produziert, den die Regisseure Ange Basterga und Nicolas Lopez 2017 mit einem Budget von gerade einmal 70 000 Euro in einem Marseiller Vorort mit Laiendarstellern drehten, die zuvor noch nie vor einer Kamera gestanden hatten. Nun hat Netflix aus dem mit mehreren Preisen ausgezeichneten Film eine Serie gemacht, deren Einzelepisoden was die Länge anbelangt eher an Musikclips erinnern. Entsprechend schnell und dicht wird das mit reichlich Rap-Musik unterfütterte Drogendrama dann auch erzählt.
»Caid« ist ein sogenannter Found-Footage-Film, also mit wackliger Handkamera als pseudodokumentarische Reportage gedreht. Im Zentrum stehen Franck und Thomas, die genervt sind von ihrem Arbeitgeber, der sie in eine gefährliche Gegend schickt, wo sie mit dem gerade aus dem Gefängnis entlassenen Rapper und Bandenchef Tony ein Video drehen sollen. Die Szenerie der Betonwohnblocks und der von Drogengangs kontrollierten Straßen ist bedrohlich. Außerdem kommt es bald nach ihrer Ankunft zu einer Schießerei. Sie wollen wieder weg, aber ihr Arbeitgeber, der ab und zu anruft, will unbedingt spektakuläre Bilder. Die Musik allein reicht nicht, Gewalt und Drogenkriminalität sollen Authentizität erzeugen.
So sehr sich »Caid« bemüht, einen kritischen Blick auf die Drogenkriminalität in den Banlieues zu werfen und die Problematik einer kulturellen Wertschöpfung der Bilder von Gewalt zu thematisieren, reproduziert die Serie vor allem genau jene Bilder und ist letztlich Teil dieser Art Wertschöpfung. Insofern lässt sich »Caid« auch einfach als eine etwas anders gemachte Gangster-Serie anschauen. Die hat zweifelsfrei ihre Qualitäten, kommt an der einen oder anderen Stelle sogar mit einer gewissen Ironie daher und bietet einen Blick in eine der in den vergangenen Jahren in den Medien so oft thematisierten Banlieues, inklusive Rap-Musik, kollektiver Gegenwehr beim Auftauchen der Polizei, sich einmischender Sozialarbeiter und besorgter Mütter.
Die Frage ist, was genau an dieser recht altbackenen, männlichen sozialen Ordnung um Revierkämpfe und paternalistischen Schutz der eigenen Familie für Zuschauer so faszinierend ist. Dass diese soziale Ordnung ebenfalls Herrschaftscharakter hat, macht die Serie deutlich, nicht zuletzt als die Polizei anrückt und nicht nur brutal People of Color verprügelt, sondern auch mit dem Bandenchef verhandelt. Der wiederum will eigentlich raus aus der Banlieue und Künstler werden. Der prekarisiert arbeitende Filmemacher Franck wiederum wittert seine Chance, außergewöhnliches Bildmaterial zu bekommen. Aber so sehr sich alle auch bemühen, unbeschadet aus der Geschichte herauszukommen, das Drogenkriminalitäts-Drama läuft nach bekanntem Schema ab.
»Caid« auf Netflix
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