Keine Verurteilung für Öl-Multis

Die Konzerne Eni und Shell sind nach einem jahrelangen Prozess vom Korruptionsvorwurf freigesprochen

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Drei Jahre dauerte der spektakuläre Prozess gegen Topmanager der Erdölgesellschaften Eni und Shell. Die Anklage hatte dem Chef des italienischen Erdölkonzerns Eni, Claudio Descalzi, seinem Amtsvorgänger Paolo Scaroni, sowie elf weiteren Angeklagten aus den Chefetagen von Eni und der niederländisch-britischen Royal Dutch Shell vorgeworfen, insgesamt 801 Millionen US-Dollar Bestechungsgelder für die Ausbeutung des vor der nigerianischen Küste liegenden Ölblocks OPL 245 gezahlt zu haben. Unter den Angeklagten war auch der frühere nigerianische Energieminister Dan Etete. Die beiden Konzerne versprachen sich von dem Ölfeld einen ertrag von neun Milliarden Barrel Rohöl.

In ihrem Strafantrag hatte die zuständige Staatsanwaltschaft in Mailand für die Eni-Chefs Descalzi und Scaroni je acht Jahre Haft sowie eine finanzielle Wiedergutmachung von 900 Millionen Euro gefordert. Die nun von Richter Marco Tremolada verfügten Freisprüche dürften für einige Erleichterung bei den Angeklagten gesorgt haben. Paola Severino, Verteidigerin Claudio Descalzis und frühere Justizministerin der Monti-Regierung, äußerte deutliche Genugtuung nach der Urteilsverkündung: »Nach unzähligen Gerichtsterminen und der Prüfung Tausender Dokumente ist nun die Reputation meines Mandanten wieder hergestellt.« Auch der Verteidiger des zweiten Hauptangeklagten Paolo Scaroni äußerte sich zufrieden.

Die nigerianische Regierung zeigte sich jedoch enttäuscht und kündigte die Prüfung einer Revision an. Die Geschichte des Verfahrens reicht bis ins Jahr 1998 zurück. Damals hatte das Militärregime unter General Sani Abacha Lizenzen für die Ausbeutung von OPL 245 an den nigerianischen Ölkonzern Malabu vergeben. Der war im Besitz der späteren Energieministers Dan Etete. 2006 und 2010 traten dann die Unternehmen Shell und Eni auf den Plan, um die Schürfrechte zu erwerben. Der spätere Eni-Chef Paolo Scaroni fungierte zu dieser Zeit noch als Explorationsleiter bei Shell. 2011 wurden sich Shell, Eni und der von Etete vertretende nigerianische Staat handelseinig: für 1,3 Milliarden US-Dollar sollten die beiden Ölmultis die Vorkommen im Golf von Guinea ausbeuten können. Nach Ansicht der Ermittler sollen von dieser Summe jedoch 1,1 Milliarden Dollar an die Firma Malabu gegangen und von Etete zur Bestechung verschiedener Staatsfunktionäre und Unternehmer in dem afrikanischen Land verwendet worden sein. Eni und Shell hatten diese Vorwürfe stets bestritten und erklärt, sie hätten die vereinbarte Summe an den nigerianischen Staat gezahlt. Darüber, was nach der Zahlung von den dortigen Behörden in Gang gesetzt wurde, hätten die Konzerne weder Kenntnis noch Kontrolle gehabt.

Der seit 2015 in Abuja amtierende Präsident Muhammadu Buhari bestreitet jedoch die Aussagen der Unternehmen. Der 79-jährige Ex-General war mit dem Versprechen, deutlich gegen Korruption vorzugehen, 2015 erstmals zum Präsidenten gewählt worden. Zwar wurden nach diesem Versprechen in Nigeria etliche Funktionsträger verhaftet, doch gibt es bis heute - 2019 wurde Buhari im Amt bestätigt - keine rechtsverbindlichen Urteile.

Wie der einheimische Konzern Malabu Oil&Gas zur ursprünglichen Lizenz für die Ausbeutung des Ölfelds kam, dürfte Muhammadu Buhari allerdings bekannt sein: Von der Militärdiktatur Sani Abachas war er zum Vorsitzenden des Petroleum Trust Funds ernannt worden, jener Behörde, die die Erdölförderung des größten westafrikanischen Staates kontrollierte.

Nebst dem Prozess vor dem Mailänder Gericht hatte die nigerianische Regierung versucht, auch in anderen Staaten Klagen wegen internationaler Korruption vorzubringen. Sowohl in den Niederlanden als auch in Großbritannien scheiterten diese jedoch, die Gerichte wiesen die Anschuldigungen als nicht bewiesen zurück. Ein über zwölf Jahre dauerndes Verfahren gegen den Ex-Eni-Chef Scaroni endete in Algier ebenfalls mit einem Freispruch.

Juristisch scheint somit alles geklärt, sofern die in Nigeria anstehenden Verfahren nicht noch ein anderes Licht auf die Affäre werfen. Darüber hinaus laufen mehrere Sammelklagen gegen Shell wegen Umweltverschmutzung. Eine davon - in der 40 000 Nigerianer wegen Verschmutzung des nigerianischen Nigerdeltas klagten - wurde von einem Londoner Gericht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. Die Richter verwiesen das Verfahren an eine Instanz in Abuja.

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