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Fragiler Friedensprozess für Afghanistan
USA und Russland arbeiten an Kompromiss zwischen Taliban und Regierung, aber das Land bleibt gefährlich
Die Afghanen feiern in diesen Tagen das Neujahrsfest »Nouroz«, das mit dem Frühlingsbeginn zusammenfällt. Mit dem ersten Tag des Jahres verbinden die Menschen Hoffnungen auf einen Neuanfang, in erster Linie auf den langersehnten Frieden. Nur kommt Afghanistan nicht zur Ruhe. Erst vergangene Woche wurden neun Menschen durch den Abschuss eines Militärhubschraubers in der Provinz Wardak getötet.
Verantwortlich für den Angriff waren die Milizionäre von Kommandant Abdul Ghani Alipur, einem lokalen Warlord, der der Kabuler Regierung seit geraumer Zeit Kopfschmerzen bereitet. Alipur ist im Distrikt Behsud aktiv, in dem es immer wieder zu ethnischen Spannungen zwischen der schiitischen Hazara-Minderheit und paschtunischen Kutschi-Nomaden kommt. Der Kommandant, ein Hazara, inszeniert sich mittlerweile als Verteidiger der Rechte seiner Ethnie, auch dank Unterstützung durch bekannte Politiker. Im Raum steht auch der Vorwurf ausländischer Einflussnahme seitens des schiitischen Regimes im Iran. Alipurs Miliz, die auch die Taliban bekämpft, werden zahlreiche Angriffe auf Zivilisten angelastet.
Die afghanische Regierung bekommt die Sicherheitslage nicht in den Griff. Das ist offenbar der Hauptgrund, warum der afghanische Präsident Aschraf Ghani überraschend zwei Schlüsselposten in seinem Kabinett neu besetzt hat. Verteidigungsminister Asadullah Khalid und Innenminister Masud Andarabi seien entlassen worden, teilte der nationale Sicherheitsrat am Freitag mit. Armeechef Mohammed Jasin Sia übernimmt demnach in Personalunion die Spitze des Verteidigungsressorts. Der scheidende Minister Khalid soll gesundheitlich schwer angeschlagen sein. Innenminister Andarabi wird durch den früheren Gouverneur der Provinzen Kandahar und Nangarhar, Hajatullah Hajat, ersetzt. Der Präsidentenpalast betonte, die »Sicherheitslage« im Land müsse verbessert werden.
Der Austausch der beiden Minister erfolgte nur einen Tag nach einer Afghanistan-Konferenz. Am Donnerstag fanden innerafghanische Gespräche zwischen den Taliban und Vertretern der afghanischen Regierung in Moskau statt. Ziel war, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen und einen Kompromiss zu finden für die Aufteilung der Macht. Außer der Taliban-Delegation waren andere bekannte Männer präsent, darunter berühmt-berüchtigte Kriegsfürsten wie Abdul Raschid Dostum, Gulbuddin Hekmatyar oder Karim Khalili. Ex-Präsident Hamid Karzai und US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad nahmen ebenfalls an den Gesprächen teil.
Gulbuddin Hekmatjar sagte, das Treffen am Donnerstag in Moskau habe die »Sackgasse« bei den Verhandlungen mit den Taliban durchbrochen. Die Vermittler, darunter Russland, die USA, China und Pakistan, riefen nach den Gesprächen beide Seiten auf, neue Gewalt zu vermeiden, und forderten die Taliban auf, »keine Frühjahrsoffensive zu erklären, um weitere Opfer zu vermeiden und eine günstige Atmosphäre für das Erreichen einer politisch-diplomatischen Lösung zu schaffen«. Der Mitbegründer der Taliban, Mullah Abdul Ghani Baradar, rief dazu auf, dass die Afghanen »ihr eigenes Schicksal entscheiden« sollten.
Viele Afghanen in Kabul und anderswo hinterfragen mittlerweile den Sinn solcher Verhandlungen, die oftmals lediglich wie halboffizielle Fototermine wirken. »Die Männer, die Kabul zerstört haben, versammeln sich gewiss nicht um des Friedens Willen. Sie wollen nur die Macht aufteilen«, kommentiert Abdul Waseh, ein Bauingenieur aus Kabul, das Geschehen. Einen »wahrhaftigen Frieden« würde er wie die meisten seiner Landsleute begrüßen, doch davon fehlt jede Spur.
Vor mehr als einem Jahr haben die USA einen Abzugsdeal mit den Taliban in Katar unterzeichnet. Seitdem finden praktisch keine kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen US-Militär und Taliban-Kämpfern statt. Unterdessen ist der neue US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Sonntag zu einem ersten Besuch in Afghanistan eingetroffen. Das bestätigte ein hochrangiger Beamter der afghanischen Regierung am Sonntag. Austin werde unter anderem mit Präsident Aschraf Ghani und Sicherheitsberater Hamdullah Mohib sprechen.
Doch währenddessen wird der Krieg gegen die afghanischen Sicherheitskräfte und die Zivilbevölkerung weitergeführt. Der mutmaßliche Grund: Die Kabuler Regierung war nicht Teil des Abkommens. Dieser Deal muss erst noch ausgehandelt werden. Wann dies geschieht, ist unklar. In Moskau wurden lediglich jene Floskeln wiederholt, die man seit Monaten hört. Die Taliban beharren auf ihr Emirat, während die Regierung ihre Republik nicht aufgeben will. Vertreter der Regierung hatten bereits vor den Moskauer Gesprächen deutlich gemacht, dass der Ball bei den Taliban liege - und dass ausländische Akteure, allen voran Pakistan, das eine Nähe zu den Militanten pflegt, den Friedensprozess sabotieren würden. »Wir hatten gute Gespräche mit den Taliban. Wir waren auf einem guten Weg. Doch nach ihrer letzten Reise nach Islamabad wendete sich das Blatt. Sie waren anders und weniger kompromissbereit«, meinte Matin Beg, Mitglied des Regierungsteams, in einem Interview mit dem afghanischen Fernsehsender Tolo.
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