Einkauf in die klimaneutrale Zukunft

Lobbycontrol wirft bundeseigener Energieagentur vor, sich von fossilen Konzernen sponsern zu lassen

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie kann Deutschland bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden - das große Thema hat sich die Deutsche Energieagentur (Dena) für ihre neue Leitstudie vorgenommen, deren Zwischenergebnis Ende vergangener Woche vorgestellt werden sollte. Die Art und Weise, wie diese zustande kommt, ist aber nicht neutral, sondern stark von fossilen Interessen geprägt, kritisiert die Transparenzinitiative Lobbycontrol. Bei der Studie könnten sich Unternehmen, die von der Umstellung auf eine CO2-freie Wirtschaft betroffen sind, »Mitentscheidungsrechte einkaufen«. Dabei gehe es je nach Größe des Unternehmens um bis zu 35 000 Euro, wirft Lobbycontrol der Dena vor. Unter den 79 an der Leitstudie beteiligten Unternehmen seien fossile Konzerne wie Eon, RWE, Thyssengas, Open Grid Europe und Daimler.

Dass die Leitstudie gesponsert wurde, bleibe dabei für die Öffentlichkeit weitgehend im Dunkeln, kritisiert die Initiative weiter. Interne Dokumente legten aber nahe, dass Unternehmen vor allem aus der Gasindustrie die Studie für ihre Interessen kapern wollen - und zwar mit Erfolg. Demnach gingen die Dena-Gutachter für den Gebäudesektor davon aus, dass 2050 nur 42 Prozent der Heizungen mit ökostromgetriebenen Wärmepumpen laufen. Heizungen mit gasförmigen Energieträgern, darunter auch »grüner« Wasserstoff, sollen hingegen noch 37 Prozent und sogar Ölheizungen sieben Prozent ausmachen, schreibt die Initiative.

Diese Breitseite feuerte Lobbycontrol ab - einen Tag, bevor die bundeseigene Energieagentur erste Inhalte aus dem Zwischenbericht zu ihrer Klimaneutralitäts-Studie vorstellen wollte. Am Donnerstag zog sie es aber vor, ihre Arbeitsweise und Methodik ausführlich zu erläutern. Dabei war nicht zu übersehen: Dena-Chef Andreas Kuhlmann hatte Mühe, die Kritik wirklich nachzuvollziehen. Für ihn stellt sich im Kern alles als der übliche gutachterliche Diskurs dar. Er findet es nicht verwunderlich, dass unterschiedliche Studien »zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen«. Man lebe in einer »sehr dynamischen Zeit«, mit der es sich auseinanderzusetzen gelte, und dazu gehöre auch das, was von verschiedenen Interessengruppen ausgehe.

Konkret kommentierte der Dena-Chef die von Lobbycontrol öffentlich gemachten Zahlen für 2050 nicht, gab aber auch selbst keine eigenen aus dem Zwischenbericht bekannt. Bei vielen Parametern wie dem prognostizierten Strombedarf, der installierten Photovoltaik oder der Windkapazität an Land lägen die aktuellen Dena-Voraussagen mal im unteren, mal im oberen und mal im mittleren Bereich der in anderen Studien publizierten Prognosen, suchte Kuhlmann den Vorwurf der Einseitigkeit zu entkräften.

Der Dena-Chef beharrte darauf, sein Haus habe sich beim Erarbeiten der Leitstudie »absolut korrekt verhalten«. Dass die Ergebnisse nicht beeinflusst werden können, dafür stehe die Agentur und dafür stünden auch die beteiligten Gutachter. Allerdings, so Kuhlmann weiter, müsse irgendjemand so eine Studie auch bezahlen. Hätte die Bundesregierung der Dena die Mittel für die Leitstudie gegeben, wäre möglicherweise ein anderer Vorwurf laut geworden: dass die Regierung der Dena Geld gibt, um Räume zu schaffen, damit deren Partner ihre Meinungen und Interessen einbringen.

Diese Ausflucht wirkt wenig überzeugend. Lobbycontrol bleibt auch nach den Stellungnahmen bei den Vorwürfen. Zwar habe die Dena nun auf ihrer Website öffentlich gemacht, dass ihre Partner aus der Wirtschaft die Studie mitfinanzieren und zwar zu 80 Prozent - wie viel aber diese im Einzelnen zahlten, bleibe im Dunkeln, bemängelt Christina Deckwirth von Lobbycontrol. Auch stelle der Dena-Chef das Modell der bezahlten Einflussnahme nicht infrage. Deckwirth zufolge kritisiert Lobbycontrol nicht, dass sich die Dena mit Unternehmen und Verbänden austauscht, sondern dass sie über ihr Sponsoringmodell »einseitige Einflussnahme für Unternehmen und Wirtschaftsverbände organisiert«. Die Dena gewähre damit genau den Unternehmen besondere Mitspracherechte, deren Geschäftsmodelle von der Transformation der Wirtschaft betroffen sind.

Es stellt sich die Frage, warum eine bundeseigene Agentur darauf angewiesen ist, sich solche Sponsoren für grundlegende Studien zu suchen. Darüber sollte nicht nur die Dena nachdenken, sondern vor allem die vier Hauptgesellschafter der Dena: die Bundesministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft, Umwelt und Verkehr.

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