- Berlin
- Revolutionärer 1. Mai
Kein Klassenkampf ohne Migranten
Das Bündnis »Revolutionärer 1. Mai« will trotz Pandemie auf die Straße gehen und inklusiver werden
Dagegen will die radikale Linke am 1. Mai auf die Straße gehen. Dass es eine Großdemonstration geben soll und nicht wie im vergangenen Jahr dezentrale Aktionen, bei denen sich trotz Versammlungsverbot Tausende Demonstrant*innen an wechselnden Orten mit der Polizei ein Katz und Maus Spiel lieferten, will das Bündnis auch als Kritik an den »dürftigen Maßnahmen« der Regierung verstanden wissen.
»Eigentlich sollte in der Pandemie das Leben der Menschen an erster Stelle stehen, aber es geht nur um Kapitalinteressen, sonst hätten wir längst einen echten Lockdown«, sagt die Sprecherin des Bündnisses, Aicha Jamal, zu »nd«. »Wir arbeitenden Menschen können uns nicht isolieren. So lange wir jeden Tag zur Arbeit gehen müssen, ist es wichtig, dass wir von unserem Recht zu Demonstrieren Gebrauch machen«, erklärt sie die Entscheidung, trotz steigender Infektionszahlen auf die Straße zu gehen.
Im Gegensatz zu den Vorjahren ist die »Revolutionäre 1. Mai Demonstration« dieses Mal angemeldet. Sie soll um 18 Uhr vom Hermannplatz über die Karl-Marx-Straße und Sonnenallee in Richtung Kreuzberg laufen und auf dem Oranienplatz enden. Die Anmeldung hängt auch damit zusammen, dass sich in diesem Jahr erstmalig ein breites Bündnis migrantischer Gruppen dem Bündnis »Revolutionärer 1. Mai« angeschlossen hat, sagt Jamal. »Einige haben keine Papiere oder sind anders von Polizeigewalt betroffen, wir wollen sie keinem Risiko aussetzen.«
Auch soll die Demonstration dadurch einladender wirken, damit sich die migrantische Community samt Geschwistern, Kindern, Onkeln und Tanten anschließen könne. »Wir wollen auch Leute ansprechen, die nicht zur linken Szene gehören«, sagt Jamal. Viele Communities hätten eine lange Tradition von Arbeitskämpfen, sie gelte es nun mit einzubinden. »Die linke Szene ist schon seit längerem isoliert, wir müssen den Kontakt zur Bevölkerung suchen, um die Isolation aufzubrechen, damit wir auch wirklich etwas erreichen können.«
Aus diesem Grund will das Bündnis in diesem Jahr wieder politischer werden, mehr Redebeiträge statt der immer gleichen Folklore aus Pyrotechnik und Alerta Antifascista Rufen. »Wir wollen sichtbar machen, dass Kapitalismus nicht ohne Rassismus funktionieren kann«, nennt Aicha Jamal einen Schwerpunkt. Schließlich seien Migrant*innen überproportional von Ausbeutung, Gentrifizierung, Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit betroffen. »Gleichzeitig wurden unsere Stimmen lange nicht gehört.« Das soll sich in diesem Jahr ändern, die Migrant*innen mit einem eigenen Frontblock sichtbarer sein.
Ein weiterer Schwerpunkt der diesjährigen Kämpfe ist das Thema Wohnen. Während sich die radikale Linke aus den mietenpolitischen Kämpfen lange rausgehalten hatte und Bündnisse mit bürgerlichen Initiativen eher scheute, ist auch hier ein Kurswechsel zu beobachten. So wird die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« auf der 1. Mai Demonstration mit einem eigenen Block vertreten sein – gleichzeitig geht die radikale Linke jedoch noch weiter, indem sie im Gegensatz zu dem Volksbegehren entschädigungslose Enteignungen von Immobilienfirmen fordert.
Denn im Gegensatz zum Deutschen Gewerkschaftsbund DGB, der in diesem Jahr am 1. Mai eine Kundgebung mit 2000 Teilnehmer*innen vor dem Brandenburger Tor abhalten will, geht es dem Bündnis »Revolutionärer 1. Mai« immer ums Ganze: Um den Klassenkampf. Und zwar den Kampf aller Ausgebeuteten gegen die herrschende Klasse, also auch jener »Menschen, die unbezahlte Haus- und Pflegearbeit machen, sowie jenen die kriminalisiert und weggesperrt werden oder im Mittelmeer ertrinken«, heißt es in einer Mitteilung migrantischer Gruppen, unter ihnen die Migrantifa, Women Defend Rojava und der Bloque Latinoamericano. In Deutschland fehle es an einer breiten, klassenkämpferischen Linken, diese gelte es aufzubauen. »Der 1. Mai ist Teil dieses Aufbauprozesses«, so Sprecherin Aleksandra Szymanski.
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