Zu kurz gegriffene Mitbestimmung
Kabinett beschließt Gesetz zur Stärkung von Betriebsräten
Die Große Koalition will die Rechte von Betriebsräten stärken. Das Kabinett beschloss am Dienstag einen entsprechenden Gesetzesentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium. Demnach sollen Arbeitnehmer*innen künftig besser vor Kündigungen geschützt werden, wenn sie die Gründung eines Betriebsrats anstreben. Auch sollen die Gremien mehr Mitspracherechte bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit bekommen. Expert*innen sind sich einig, dass es durchaus noch Verbesserungsbedarf gibt.
»Wir erleichtern jetzt die Gründung und die Wahl von Betriebsräten«, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). So sollen Arbeitnehmer*innen künftig bereits einen Kündigungsschutz haben, wenn sie ihre Absicht zur Gründung eines Betriebsrats notariell beglaubigen lassen und entsprechende Vorbereitungen treffen. Auch sollen Wahlen wegen formeller Fehler nicht mehr so leicht angefochten werden können. »Vor allem der verbesserte Schutz für Wahlinitiatorinnen und -initiatoren, gerade im Vorfeld von Wahlen, ist ein Erfolg, aber er ist leider nicht umfassend genug«, erklärte die Zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner. So sei zu befürchten, dass immer noch Betriebsratsgründungen scheitern werden, »weil ewiggestrige Arbeitgeber Beschäftigte unter Druck setzen, bis hin zur ungerechtfertigten Kündigung«.
Für den Betriebsratsanwalt Nils Kummert sind insbesondere die neuen Mitbestimmungsrechte beim Thema mobile Arbeit ein »echter« Fortschritt. So sollen Betriebsräte im Falle von mobiler Arbeit künftig wichtige Bedingungen wie die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Übernahme von Kosten über eine Zwangsschlichtung durch die Einigungsstelle durchsetzen können. »Allerdings werden Betriebsräte nicht die Möglichkeit haben, die Möglichkeit der mobilen Arbeit gegen den Willen des Arbeitgebers zu erzwingen«, so Kummert gegenüber »nd.DerTag«. »Viele drängende Fragen wird das Gesetz jedoch unbeantwortet lassen«, erklärt Arbeitsrechtsexperte Kummert. Dazu zählen ihm zufolge ein digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb, Mitbestimmung bei der Personalbemessung sowie echte Mitbestimmung bei der Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen und beim Abschluss von Qualifizierungssozialplänen, was gerade bei der Transformation in der Automobil- und der Zuliefererindustrie von »größter Bedeutung« sein werde.
Auch für die Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion für Mitbestimmung, Jutta Krellmann, greift der Entwurf aus dem Hause Heil zu kurz: »Der aktuelle Gesetzesentwurf bietet zu wenig Antworten auf die Fragen der Digitalisierung, Globalisierung oder Deregulierung in der Arbeitswelt.« Auch hält die Politikerin den Schutz der Betriebsräte und bei Betriebsratswahlen für zu gering. »Wir brauchen Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die Union Busting verfolgen«, fordert Krellmann eine stärkere strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen Betriesratsrechte. »Zudem benötigen Betriebsräte echte Mitbestimmungsrechte beim Umweltschutz, der beruflichen Weiterbildung, der Arbeitsintensivierung oder auch beim Homeoffice«, so Krellmann.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.