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Ein »game-changer«, aber trotzdem zu wenig

Joe Bidens Infrastruktur-Plan bietet zu wenig Geld, um die Infrastruktur zu renovieren und das Land gegen die Klimakrise zu wappnen. Jedoch leitet das Vorhaben einen Paradigmenwechsel ein.

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

2250 Milliarden Dollar für die Infrastruktur in den USA, 621 Milliarden davon für die Renovierung von Straßen und Oberflächentransport in acht Jahren? Das klingt nach viel Geld. Und es ist viel Geld. Doch es ist zu wenig Geld, sagt die American Society of Civil Engineers. Die Ingenieursvereinigung ist des Linksradikalismus gänzlich unverdächtig und wahrliche keine Vereinigung von angeblich steuerwütigen Linken, über die Konservative in den Vereinigten Staaten gerne polemisieren.

Die Ingenieure haben errechnet: Angesichts von jahrzehntelanger Vernachlässigung und der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten seit Jahren nur halb so viel ausgeben, wie zur Erhaltung von Straßen nötig wäre, müssten in den nächsten zehn Jahren nur zur Erhaltung der Oberflächentransport-Infrastruktur – Autobahnen, Kanäle, Häfen – eigentlich 1200 Milliarden Dollar investiert werden. Der Infrastruktur-Plan von US-Präsident Joe Biden bietet also nur die Hälfte davon, was eigentlich nötig wäre für die Straßenrenovierung.

Parteilinke bei den Demokraten wie Alexandria Ocasio-Cortez haben also Recht, wenn sie sagen, dass Bidens Infrastruktur-Plan »nicht annähernd genug« Geld investiert und das eigentlich jedes Jahr rund 1000 Milliarden Dollar investiert werden müsse. Es ist richtig, Biden und moderate Demokraten unter Druck zu setzen, weiter zu gehen und dabei - wenn nötig - der Defizitfinanzierung mehr Raum zu geben, weil die Klimakrise höhere Investitionen nötig macht, um etwa die Stromnetze, die im Winter in Texas so spektakulär versagt haben, widerstandsfähiger gegen extreme Wetterereignisse zu machen. 74 Prozent der über 2000 von der New York University befragten Ökonomen sagen, dass wir angesichts der Klimakrise »sofortige und drastische« Maßnahmen und Investitionen brauchen. Nichthandeln koste am Ende noch mehr Geld.

Auch wenn der Infrastruktur-Plan von Biden trotz hoher Summen »zu wenig« ist: Er ist trotzdem ein »game changer«, ein Paradigmenwechsel. Er enthält nämlich viele progressive Politikvorschläge. So ist etwa gemäß dem Prinzip »Renovieren, nicht Neubauen« kein Geld für neue Straßen vorgesehen, dafür aber mehr Geld für Züge und öffentlichen Nahverkehr als für die Straßeninfrastruktur.

Was Biden mit seinem »Plan« und der Rede dazu am Mittwoch tatsächlich getan hat, war das Fenster für eine andere Zukunft aufzustoßen. »Stellen sie sich vor, sie könnten mit ihren Kindern mit einem Highspeed-Zug von Küste zu Küste fahren, ohne einen einzigen Tank Benzin verfahren zu müssen«, versuchte der regelmäßige Zugfahrer Biden bei der Vorstellung seines Infrastruktur-Pakets, die Autofahrernation USA zu überzeugen.

Auch die Finanzierungsvorschläge, moderat höhere Unternehmenssteuern zu erheben und Steuerschlupflöcher zu schließen, würden, wenn sie tatsächlich beschlossen werden, nicht nur die Steuerspirale nach unten beenden und damit beginnen, die soziale Ungleichheit im Land zu reduzieren. Sie würden auch den weltweiten Kampf gegen Steueroasen einen Schub versetzen - wenn sich auch die mächtigen USA für eine globale Mindeststeuer für Unternehmen von 21 Prozent einsetzen. Zumal die öffentliche Meinung nach Jahrzehnten steigender sozialer Ungleichheit und in der Pandemie immer weiter wachsenden Reichtum für US-Milliardäre wie Amazon-Besitzer Jeff Bezos für höheren Steuern für Reiche und Unternehmen sehr wohlgesonnen ist, wie Umfragen zeigen.

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