- Kommentare
- Luxustourismus
Pandemie-Urlaub: Die Reichen reisen immer noch
Der Luxustourismus geht auch in Corona-Zeiten weiter - die Reichen dieser Welt tun es, weil sie es können
Es war ein langer und entbehrungsreicher Winter für die Bevölkerung, und im Zuge der nahenden Osterferien wurde mit einer Mischung aus Gespött und Fassungslosigkeit die Reiselust von Mallorca-Pilgern aufs Korn genommen. Das ist richtig so, denn während einer globalen Pandemie sollte es Wichtigeres geben - nämlich die Senkung des Infektionsrisikos - als schnödes Abhängen auf Malle.
Einige hängen nun im Quarantäne-Hotel der Insel rum oder können nicht so schnell wie geplant heimfliegen, weil nicht ausreichend Corona-Tests zu Verfügung stehen. Darüber kann man sich amüsieren, ich tue es auch. Was aber nicht vergessen sollte: Die wirklich Reichen reisen immer noch. Und zwar die ganze Zeit.
Weihnachtsferien auf Sansibar, Schweige-Meditation in Tunesien, Party machen in Dubai – die oberen zehntausend sind immer noch gut unterwegs, und wahrscheinlich ist es nun, wo der ganze Pöbel wegen der Pandemie nicht mehr im eigenen Luxus-Universum rumtanzt, angenehmer denn je. Mein Instagram spülte mir in den letzten Monaten so einige Reisebilder rein, und ich kenne nicht mal besonders viele reiche Menschen. Mal offensiv, mal etwas verhaltener, wurde der Urlaubscontent ins Internet gebeamt – aber jedes Mal dachte ich: »Muss das nun wirklich sein?«
Auch auf Mykonos scheint noch einiges zu gehen – davon kann man zumindest ausgehen, wenn man sich die Instagram-Profile diverser Reise-Blogger*innen mit Reichweite anschaut. Im Vereinten Königreich, dem Gebiet, aus dem die berühmte B.1.1.7-Mutante stammt, landen jeden Tag immer noch etwa 8000 Tourist*innen aus aller Welt, und auch Kuba scheint in diesen Krisenzeiten ein beliebtes Reiseziel zu sein, wirbt es doch mit außerordentlich hoher Sicherheit und einem ausgeklügelten Testsystem.
Die CDU-Politikerin Karin Strenz verlebte dort einen privaten Urlaub, bevor sie im März auf dem Rückflug nach Deutschland aus noch ungeklärter Ursache starb. Ein Geschäftsmann aus Thüringen, der mit Strenz tagelang im selben Hotel war, berichtete, dass »schon morgens an der Bar« ordentlich gefeiert wurde. Das kann man so hinnehmen – oder sich fragen, ob es sein muss, dass der Polit- und Wirtschaftsadel Deutschlands als Negativbeispiel noch in der Weltgeschichte »rumstrunzt«, während man in der Heimat für Zusammenkünfte mehrerer Personen außerhalb einer Fabrikhalle oder eines Klassenzimmers – und sei es an der frischen Luft – hart getadelt wird.
Zu Silvester waren die Luxusunterkünfte in Aspen zu 77 Prozent ausgebucht, zwischen Weihnachten und Neujahr komplett alle Villen des The Four Seasons Anguilla vermietet – zum Schnäppchenpreis von 5.000 bis 15.000 Dollar pro Nacht. Natürlich, die Online-Performances zu hochpreisigen Reisen und Retreats haben sich verändert, da auch die superreichen Geier wissen, dass Reise-Shaming in diesen Zeiten ein heißes Eisen ist.
Man ist entweder zurückhaltender oder weist ganz offensiv auf die ausgefeilten Sicherheitssysteme hin, die man genutzt hat, um vor allem sich selbst zu schützen. Wer einen auf Kardashian macht (so wie gleichnamige Familie im letzten Jahr, als Kims Geburtstag mit der kompletten Entourage auf einer Insel gefeiert wurde) betont, wie rigoros zuvor in der Quarantäne verharrt und getestet wurde.
Das Ganze hat Geschmäckle – auch, weil man sich halbwegs ausrechnen kann, dass es nicht der Besuch bei Oma im Garten nebenan ist, der Viren und Mutanten um die halbe Welt schleppt. Egal also, ob wir jetzt einen »Brücken-Lockdown«™ oder irgendwelche anderen Maßnahmen vorgesetzt bekommen: Für die Reichen ist die Pandemie längst vorbei. Und vielleicht gab es für sie auch niemals eine.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!