Als Geflüchtete ohne Angst zu Arzt und Ärztin

Studierende und »Medinetz« in Bremen starten Petition für »Anonymen Krankenschein«

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Kranke und Schwangere, die nach einer Flucht in Deutschland Schutz und Hilfe suchen, verzichten nicht selten trotz erheblicher Leiden auf medizinische Behandlung oder Beratung. Vor allem Frauen und Männer, deren Aufenthalt nicht oder noch nicht gesichert ist, haben oft Angst vor dem Besuch einer Praxis. Sie befürchten, Ärztin oder Arzt könnten persönliche Daten des Patienten an irgendeine Behörde weiterleiten, damit diese die Übernahme der Behandlungskosten durch ein Sozialamt in die Wege leitet. An eine Dienststelle, von der den Geflüchteten womöglich die Abschiebung droht. Die Angst davor vermeidet der »Anonyme Krankenschein«. Durch ihn, der keine Angaben zu Namen und Anschrift enthält, würden zudem Stigmatisierung sowie Diskriminierung vermieden und bürokratische Hürden fortfallen, betont Medinetz.

Diese Initiative fordert seit Jahren den anonymen Krankenschein für Bremen. Dort ist in dieser Sache auf der politischen Ebene bislang nichts Wesentliches geschehen. Ende 2017 hatten die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen die damalige Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) gefragt, wie sie das Modell eines anonymen Krankenscheines beurteilt. Ein klares Pro oder Contra fehlte in der Antwort. Entnehmen kann man ihr, dass jener Krankenschein »bisher nur in Niedersachsen und Thüringen eingesetzt« werde.

In Thüringen läuft das Modell nach wie vor, in einigen Städten gibt es ähnliche Verfahren, in Niedersachsen ist der Schein schon wieder Geschichte. Zur Regierungszeit von Sozialdemokraten und Grünen war er dort 2015 eingeführt worden, zunächst auf Probe für drei Jahre. Eine Verlängerung scheiterte an der seit 2018 regierenden Großen Koalition aus SPD und CDU. Und das, obwohl seit 2015 mehr als 1000 anonyme Krankenscheine ausgestellt worden waren. Abgerechnet wurden sie über die Kassenärztliche Vereinigung bei der Sozialbehörde, die das Projekt jährlich mit 500 000 Euro bezuschusste.

Der sozialpolitische Sprecher der CDU in Niedersachsens Landtag, Volker Meyer, begründete das rot-schwarze Nein zur Fortsetzung des Modells damals: »Wir können nicht einfach anfangen, Personen ohne Aufenthaltsberechtigung anonym zu behandeln.« Und das SPD-geführte Sozialministerium beschränkte sich auf den Hinweis, die medizinische Versorgung Geflüchteter sei ja über das Asylbewerber-Leistungsgesetz garantiert.

Schutzsuchende Menschen, die Leistungen nach jenem Gesetz in Anspruch nehmen, bleiben aber nicht anonym. Doch was ihnen bleibt, ist die Angst vor Abschiebung. Damit Kranken und Schwangeren diese Angst in Bremen erspart bleibt, hoffen Uni-Studenten und Medinetz auf viele Mitunterzeichner - auch außerhalb Bremens - der an die Bürgerschaft gerichteten Petition.

Petition im Internet: https://dasnd.de/PetitionBB

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