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Bezahlte Pause für alle
Die Kampagne Zero Covid ruft für Samstag zum Aktionstag auf
Die Corona-Pandemie hat die ganze Welt vor ungeahnte Herausforderungen gestellt - so auch hierzulande die gesellschaftliche Linke. Teilweise war man aufgrund der Kräfteverhältnisse, allgemeiner Verdrossenheit und der sich schnell verändernden Lage gelähmt - und doch gab und gibt es immer wieder Versuche zu intervenieren. Vielerorts haben Aktivist*innen unter verschärften Bedingungen ihre Themenfelder weiterbearbeitet und sich mit den Auswirkungen des Virus auseinandergesetzt. Daneben versuchten einige Initiativen aber auch, die Pandemie selbst zu politisieren. Beispielsweise etwa das Bündnis »Wer hat, der gibt«, das bereits jetzt die Frage nach der Bezahlung der Krisenkosten aufwirft. Der vermutlich am breitesten in der Linken diskutierte Vorschlag stammt derweil von der Kampagne Zero Covid.
Die um den Jahreswechsel herum entstandene Kampagne fordert einen europäischen solidarischen Lockdown, um die 7-Tage-Inzidenz radikal und langfristig zu senken. Eine Online-Petition erhielt bisher mehr als 100 000 Unterschriften. In der gesellschaftlichen Linken ist die Kampagne jedoch umstritten. Kritisiert wurden unter anderem eine fehlende Verankerung, fehlende Mittel zur Durchsetzung und eine - von den Initiator*innen unbeabsichtigte - Förderung autoritärer Tendenzen. Gleichzeitig ist die Kampagne bisher vielleicht die einzige relevante progressive Diskursintervention und damit zumindest der Versuch, eine Position zu der Krise zu finden. Auch haben sich mittlerweile in vielen Städten Ortsgruppen gegründet, um die lokale Vernetzung voranzubringen.
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Die Aktivist*innen hinter Zero Covid hatten sich in den vergangenen Monaten mit der Kritik auseinandergesetzt und wollen nun einen neuen Anlauf starten: Im Ergebnis wird für diesen Samstag zu einem internationalen Aktionstag aufgerufen. Veranstaltungen sind in mehreren Städten unter Einhaltung der Corona-Regeln geplant, darunter in Berlin, München, Hamburg, Leipzig und Wien. Ein Redebeitrag kommt unter anderem von der Berliner Ortsgruppe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Die Besonderheit dürfte die inhaltliche Ausrichtung des Aktionstages sein. Der Fokus liegt so nicht mehr vordergründig auf einem »Lockdown«, der von vielen mit Sanktionen verknüpft wird, sondern auf dem konsequenten Herunterfahren der Wirtschaft. Das Ziel lautet, einen »dreiwöchigen bezahlten Corona-Sonderurlaub« für alle nicht systemrelevanten Gruppen zu erreichen. »Wir brauchen eine Pause« lautet das Motto. Aber warum genau? »Nicht nur aus epidemiologischen Gründen brauchen wir eine bezahlte Pause: Die Menschen sind nach einem Jahr Pandemie und eingeschränktem Privatleben bei gleichzeitiger Überbelastung oder Unsicherheit in ihrem Beruf am Rande der Erschöpfung«, erklärte Kris Wagenseil, Pressesprecherin bei Zero Covid. »Wir wollen, für uns selbst und alle Erschöpften, eine positive Perspektive anbieten.«
Laut David Schrittesser, Mathematiker an der Universität Toronto und ebenfalls Sprecher, sei es möglich, mit der Pause die Inzidenz so weit zu senken, dass die Verbreitung der Pandemie unterbunden werden könne. Dies würde eine Strategie wie in Neuseeland ermöglichen, wo Corona unter Kontrolle scheint. Die Strategie der Jojo-Lockdowns sei dagegen gescheitert, ist man sich einig. »Gibt es irgendwen, der nach drei Runden Leugnung, Lockdown, Lockerung, Leugnung, Lahmarschigkeit noch meint, das alles sei irgendwie freier, leichter oder weniger autoritär als eine Zero-Covid-Strategie?«, fragte jüngst die Autorin Bini Adamczak, die Zero Covid unterstützt.
Initiativen wie »Wer hat der gibt«, »Gesundheit statt Profite«, LabourNet, die »Interventionistische Linke« sowie Mitglieder der Grünen und der Linkspartei haben zur Teilnahme an dem Aktionstag aufgerufen. Von den Spitzen des DGB und der IG-Metall gab es dagegen bisher keine Reaktion. Verdi-Sprecher Jan Jurczyk erklärte gegenüber »nd«: »Für die weitaus meisten Bereiche, die die Verdi organisiert, würde eine solche Regelung gar nicht greifen, weil der weitaus größte Teil der Mitglieder in der öffentlichen Daseinsvorsorge und angelehnten Bereichen arbeitet.« Dies reiche von Ver- und Entsorgung und Netzinfrastrukturen, über Gesundheit, Pflege, Betreuung und Lebensmittelversorgung und bis hin zu Medien. »Das Forderungsportfolio der Zero-Covid-Kampagne mag vielleicht zum Nachdenken anregen, zielt aber aus der Perspektive der Daseinsvorsorge an der Realität vorbei und taugt insofern nicht zur Pandemiebekämpfung«, so Jurczyk.
Die Linkspartei indes hatte jüngst ebenfalls eine Strategieänderung in der Coronapolitik gefordert. Die Parteivorsitzenden Susanne Henning-Wellsow und Janine Wissler sowie die Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira M. Ali sprachen sich so in einem gemeinsamen Papier auch für einen solidarischen Lockdown aus, um die Verbreitung des Virus zu brechen. Dafür benötige man »Verbindlichkeit« in der Arbeitswelt und Wirtschaft, eine flächendeckende Teststrategie, die Beschleunigung der Impfungen, Kontaktnachverfolgung und kostenfreie Schutzausrüstung. Ausgangssperren werden abgelehnt, ein verbindlicher Plan sowie ein bundesweit einheitlicher Rahmen unter parlamentarischer Kontrolle eingefordert. »Der Bundestag muss entscheiden, das Infektionsschutzgesetz entsprechend geändert werden«, heißt es in dem Papier. Gewinnt die gesellschaftliche Linke ihre Sprechfähigkeit in der Krise zurück? Es wäre zu wünschen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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