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Die Industrie blieb offen - unter Auflagen

Mancherorts konnten harte Lockdowns die Zahl der Covid-19-Fälle deutlich senken. Entscheidend ist aber die Akzeptanz in der Bevölkerung

Der Blick vieler Europäer richtet sich derzeit wieder in den Südwesten des Kontinents: Portugal hat es mit einem harten Lockdown geschafft, die 7-Tage-Inzidenz je 100 000 Einwohner auf aktuell etwas über 30 zu drücken. Im Januar machte das Land noch mit Werten von etwa 885 als »EU-Corona-Hotspot« und vor dem Kollaps stehenden Krankenhäusern Schlagzeilen - Folge der Lockerungen über Weihnachten.

Doch wie kam es zu dem jetzigen Erfolg? Mitte Januar verhängte die Regierung einen Ausnahmezustand, mit dem das soziale Leben praktisch auf null zurückgefahren wurde. Privatbesuche waren verboten, man konnte das Haus nur noch für notwenige Besorgungen verlassen oder für den Gang zur Arbeit, wobei man eine Bescheinigung des Betriebs vorweisen musste. Spaziergänge waren nur in der nächsten Umgebung möglich. Und die Wirtschaft? Dichtgemacht wurden Bereiche mit Publikumsverkehr wie Einzelhandel und Gastgewerbe. Ansonsten gab es, wo möglich, eine Homeoffice-Pflicht. Industrie und Baubranche arbeiteten hingegen weiter.

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Noch etwas strenger im Wirtschaftsbereich handhabte es die australische Millionenmetropole Melbourne, die auf eine Null-Covid-Strategie abzielte und im privaten Bereich auch nächtliche Ausgangssperren verhängte. Was im Juli 2020 als kurzfristige Maßnahme gedacht war, blieb fast vier Monate in Kraft. Hier waren auch Teile der Industrie betroffen. Wichtige Zweige wie der Bau und die Schlachthöfe arbeiteten aber weiter - unter Auflagen wie einer verringerten Anwesenheit.

Allerdings beschränkte sich der knallharte Lockdown auf die Stadt Melbourne, der restliche Bundesstaat Victoria beließ es bei schwächeren Maßnahmen. Anderswo in Australien, wo es auch Kritik an dem Vorgehen in Melbourne gab, wurde es noch lockerer gehandhabt. Und so kam die Industrie Down Under recht gut durch die Pandemiezeit. Wichtigster Sektor sind die Rohstoffe. BHP Billiton, weltgrößter Bergbaumulti mit Sitz in Melbourne, grummelte nur etwas bezüglich der Dauer der Zero-Covid-Maßnahmen, die den Verwaltungsbereich trafen. Insgesamt steigerte BHP im Jahr 2020 seinen Gewinn im operativen Geschäft um 17 Prozent; in den in Australien besonders wichtigen Eisenerzminen förderte man Rekordmengen.

Südkorea, das sich ebenfalls erfolgreich gegen die Pandemie stemmt, ließ die Industrie komplett offen. Mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von etwa einem Prozent fiel die Krise 2020 sehr leicht aus. Dabei erlebte die Elektro- und speziell die Halbleiterindustrie sogar einen Boom, auch dank des Homeoffice-Trends. Hier gab es auch keinen Lockdown, sondern seit Ende 2019 Quarantänebeschränkungen für Einreisende. Infizierte werden elektronisch überwacht und Kontakte digital durch die Gesundheitsbehörden nachverfolgt - was in Deutschland für einen Aufschrei von Datenschützern sorgen würde - und eine umfangreiche Teststrategie.

Bei den erfolgreichen Strategien blieb die Industrie offen, zum Teil aber unter Auflagen. Härter traf es den privaten und sozialen Bereich, da dort die Ansteckungsgefahr am größten ist, wie alle verfügbaren Studien ergeben haben. Als Blaupause taugt natürlich kein Weg: Länder sind zu unterschiedlich in Politik, Gesellschaft und Kultur, auch bei geografischer Lage, Bevölkerungsdichte und internationaler Vernetzung. Erfolgreiche Lockdowns dauern, anders als es in der deutschen Debatte um Brückenlockdown oder Zero Covid anklingt, nicht wenige Wochen, sondern Monate. Ganz harte Wirtschaftseingriffe blieben zudem lokal begrenzt und hatten Folgen: Obwohl die Stadt Melbourne Hilfen für kleinere Unternehmen bereitstellte, gingen hier 15 Prozent aller Jobs verloren.

Offenbar scheint es für den Erfolg auch nicht so wichtig zu sein, wie hart der Lockdown ist. Laut einer vergleichenden Studie des Lowy-Instituts in Sydney ist etwas anderes entscheidend: »ob Bürger ihren Regierungen vertrauen und ob diese über einen kompetenten und effizienten Staat verfügen«, so Lowy-Chef Hervé Lemahieu. Taiwan, das wohl erfolgreichste Land im Kampf gegen Covid-19, war nach dem ersten Sars-Coronavirus 2002/3 diesmal mit Pandemieplänen vorbereitet. Diese Erkenntnis hilft Deutschland jetzt zwar nicht, aber vielleicht bei der nächsten Pandemie.

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