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Katholisches Stehaufmännchen
Armin Laschet musste schon viele Niederlagen einstecken. Zweite Chancen nutzt er konsequent
Niederlagen ziehen sich durch die politische Karriere von Armin Laschet. 1998 flog er aus dem Bundestag, 2010 unterlag er Norbert Röttgen, als es um den CDU-Vorsitz in Nordrhein-Westfalen ging. Und nun das Duell mit Markus Söder um die Kanzlerkandidatur. Laschets Rolle dabei hat sich in den letzten Monaten gewandelt. Vom Bundesvorsitzenden der CDU, der ein quasi natürliches Vorrecht auf die Kandidatur hat, ist er zum kriselnden Spitzenpolitiker geworden. Seine Umfragewerte schmelzen dahin wie Eis im Hochsommer. Einer am Sonntag vom WDR veröffentlichten Umfrage zufolge hielten nur noch 24 Prozent der Befragten in Nordrhein-Westfalen Laschet für einen guten Kanzlerkandidaten. Im Januar waren es noch 47 Prozent gewesen. Seine Partei verlor in derselben Zeit neun Prozent. Nur noch 28 Prozent wollen in NRW die CDU wählen.
Katholik
Für Laschet ist es neu, als strauchelnder Favorit in ein Rennen zu gehen. Bisher hatte er sich immer als Underdog inszeniert, ein Bild, das sich auch durch die Laschet-Biografie »Der Machtmenschliche« zieht, im vergangenen Herbst von den Journalisten Moritz Küpper und Tobias Blasius veröffentlicht. Sie beschreiben, wie sich Laschet bei der CDU- Vorauswahl 1994 gegen den Aachener Unternehmer Dieter Bischoff durchsetzte und anschließend in den Bundestag einzog. Er war eine Überraschung. In Bonn gehörte Laschet dann zur Gruppe junger CDU-Abgeordneter, die sich regelmäßig mit den Grünen trafen, also zur sogenannten Pizza-Connection. Laschet soll neugierig gewesen sein auf die Grünen, die aus einer so ganz anderen Welt kamen als er, der in der katholischen Kirche sozialisiert und von diesem Milieu gestärkt worden war. Seit den Zeiten der Pizza-Connection ist Laschet dem Grünen-Politiker Cem Özdemir freundschaftlich verbunden. Im Bundestag blieb er allerdings nur kurz. 1998 verlor er seinen Wahlkreis an Ulla Schmidt von der SPD. Doch eine Anschlussverwendung für Laschet wurde schnell gefunden. Ab 1999 saß er im EU-Parlament. Einen guten Listenplatz für die Wahl hatte ihm Herbert Reul verschafft, damals Generalsekretär der NRW-CDU und heute Laschets Innenminister.
Personalplaner
Dass Reul 2017 in Laschets Kabinett gerufen wurde, gehört zu den überraschenden Personalentscheidungen, für die der NRW-Ministerpräsident auch bekannt ist. Reul ist nun der »harte Hund« in der Düsseldorfer Regierung. Die Räumung im Hambacher Forst zog er ebenso kühl durch wie die Kampagne gegen sogenannte Clan-Kriminalität, in deren Rahmen er sich regelmäßig bei Razzien in irgendwelchen Shisha-Bars zeigt. Kritik daran perlt an ihm ab. Auch die Skandale um schleppende Ermittlungen im Kindesmissbrauchsskandal von Lügde oder um neonazistische Chats bei der Polizei fängt Reul für Laschet ab. Der Regierungschef muss sich nur selten dazu äußern, sein Minister holt die Kohlen aus dem Feuer. Laschet ist da, wenn es Positives zu erzählen gibt.
Auch andere Personalien zeigen, wie geschickt der CDU-Vorsitzende sein politisches Umfeld auswählt. Serap Güler lernte er 2006 bei einem Vortrag in Köln kennen. Laschet war da gerade seit etwas mehr als einem Jahr Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration im Kabinett von Jürgen Rüttgers - der ersten von der CDU geführten Landesregierung in NRW seit Jahrzehnten. Laschet fand Güler sympathisch, gab ihr einen Job in seinem Ministerium und ließ sich von ihr über muslimische Realitäten aufklären. Güler, die aus Marl stammt und deren Vater wie der Vater von Laschet Bergmann war, hatte Erfolg in ihrer Aufklärungsarbeit. Laschet witzelt seitdem gerne, dass man auch ihm mit seiner katholischen Sozialisation vorwerfen könne, in einer Parallelgesellschaft aufgewachsen zu sein.
Sehr engagiert hatte sich Laschet auch im Umgang mit den Hinterbliebenen des rassistischen Mordanschlags von Solingen 1993 gezeigt. Als er hörte, dass deren Gräber in der Türkei in einem schlechten Zustand seien, besorgte er Mittel aus seinem Integrationsministerium und sorgte für eine bessere Pflege. In der CDU gefiel Laschets Verständnis für Muslime nicht jedem. Man verpasste ihm den Spitznamen »Türken-Armin«. Laschet kommt damit mittlerweile klar. Eine Integrationspolitik, die nicht von gestern ist, ist ihm wichtig. Serap Güler ist mittlerweile Staatssekretärin und plant, mit Laschet nach Berlin zu gehen: Im September kämpft sie mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach um das Direktmandat im Wahlkreis Köln/Leverkusen. Güler gehört dem CDU-Präsidium an und freute sich jüngst über die »große Einigkeit«, mit der man sich für Laschet ausgesprochen habe.
Ein anderer, den der Parteichef sicher nach Berlin mitnehmen möchte, ist Nathanael Liminski. Laschet hatte ihn 2012, als er Fraktionschef im NRW-Landtag war, in sein Büro geholt. Liminski kommt wie Laschet aus dem katholischen Milieu, ist aber deutlich konservativer geprägt. Er ist ein Sohn des rechtskonservativen früheren Deutschlandfunk-Redakteurs Jürgen Liminski. Vor Jahren sorgte Nathanael Liminski mit der Gründung einer papsttreuen Gruppe und Äußerungen gegen vorehelichen Sex und Homosexualität für Schlagzeilen. Als Chef von Laschets Staatskanzlei tritt er kaum noch mit eigenen Positionen in die Öffentlichkeit. Er organisiert Laschets Politik und kümmert sich um die Beziehungen zu den Konservativen in der CDU. Zudem dürfte er seinen Anteil daran haben, dass Laschet im Team mit Jens Spahn für den Vorsitz der Partei antrat und dass er so gut mit CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zusammenarbeitet.
Chaot
Tatsächlich ist Laschet auf eine ordnende im Hintergrund angewiesen. Er gilt als schlampig und chaotisch. Zu seinen größten Fehlleistungen gehört der Klausurenskandal 2015. Als Lehrbeauftragter an der RWTH Aachen hatte Laschet Klausuren verloren. Den Seminarteilnehmern gab er trotzdem Noten. Er habe die Beurteilungen »rekonstruiert«, erklärte er damals. Aufgefallen war die Panne, weil Laschet auch Studierenden Noten gab, die die Klausur gar nicht mitgeschrieben hatten.
In der Coronakrise reagierte Laschet immer wieder zögerlich und widersprüchlich. Als »Lockerer« hatte er einen schweren Stand. Schwierig ist auch Laschets Verhältnis zur Klimapolitik. Am Montag nach der Sitzung des CDU-Präsidiums sprach er wieder davon, Ökologie und Ökonomie zusammenbringen zu wollen. Ein Spruch, der auch schon seinen NRW-Wahlkampf 2017 prägte. Doch Betroffene, etwa die Bewohner der Dörfer am Rand des Tagebaus Garzweiler, waren nicht begeistert, als Laschet sie einmal besuchte. Und dass ihre Dörfer abgebaggert werden, damit RWE bis 2038 weiter Kohle verbrennen kann, macht es für Laschet auch schwierig, sich zum Klimakanzlerkandidaten zu erklären.
Wenn CDU und CSU mit Laschet in die Bundestagswahl gehen, dann wird das für die Parteien nicht leicht. Eigentlich ist er ein netter Typ, aber es fehlt ihm an einer politischen Linie. Oft wirkt er, als sei er zu sehr von aktuellen Stimmungen angetrieben. Große Sprünge oder eine Leitidee, die eine Kanzlerschaft tragen könnte, sollte man von ihm nicht erwarten.
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