• Berlin
  • Verlängerung der M10

Mit der Partytram durch den Görli

Die Verlängerung der M10 zum Hermannplatz soll mitten durch die innerstädtische Grünfläche führen

  • Bosse Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Verkehrswende und der damit verbundene Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist zentral für die Klimapolitik in Berlin, darüber sind sich die Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne einig. Wie dies genau geschehen soll, avanciert jedoch zunehmend zum Wahlkampfthema für die kommenden Abgeordnetenhauswahlen im Herbst. Ein Vorstoß der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz unter Senatorin Regine Günther (Grüne) zum Ausbau des Straßenbahnnetzes sorgt nun für Ärger.

Konkret geht es um die geplante Streckenführung der Linie M10, die an dem einen Ende bis zur Beusselstraße in Moabit und am anderen von der Warschauer Straße über Kreuzberg bis zum Hermannplatz nach Neukölln verlängert werden soll. Eine Senatsbeschlussvorlage zur weiteren Planung dieser »Vorzugsvariante«, die »nd« vorliegt, ruft nicht nur bei Anwohner*innen des Görlitzer Parks in Kreuzberg Unmut hervor. Das liegt weniger an dem ambitionierten Inbetriebnahmetermin 2026/2027 als an den darin enthaltenen nächsten Planungsschritten, die nun eingeleitet werden sollen.

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Die bereits auf Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit geprüfte Streckenführung soll demnach über die Oberbaumbrücke und Falckensteinstraße mitten durch den Görlitzer Park und weiter über die Pannierstraße und die Sonnenallee führen, um dann am Hermannplatz zu enden. Rund 60 Millionen Euro soll das Projekt insgesamt kosten. Eine Bürgerbefragung hätte einen Gleichstand zwischen Befürwortenden und Gegner*innen ergeben, heißt es in dem Dokument. Neben der nun von der Senatsverwaltung bevorzugten Option wurden sechs weitere mögliche Strecken geprüft. Interessant ist dabei besonders Variante 5, die eine rund 400 Meter längere Umfahrung des Görlitzer Parks entlang des Landwehrkanals vorsieht.

Diese Variante würde neben einem höheren Verkehrsaufkommen auf der Schlesischen Straße auch einen kurvigeren Streckenverlauf und den Wegfall vieler Parkplätze bedeuten. Statt um den Park herum, sollen die Schienen nach dem Willen der Verkehrssenatorin jedoch lieber mitten durch den Görli verlegt werden. Ausgerechnet die Grünen wollen so dessen Grünfläche verkleinern.

Pascal Meiser, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei in Friedrichshain-Kreuzberg, zeigt sich verärgert über die Planung. Bei der vorliegenden Beschlussfassung seien die Bedenken der Anlieger*innen in den Wind geschlagen worden. »Der Vorstoß ist ein Affront gegenüber all denjenigen, die darauf vertraut haben, dass ihre Einwände bei der Entscheidung über die Trassenführungen ernst genommen werden«, so Meiser zu »nd«. »Eine Querung des Parks durch zwei Tramspuren und entsprechende Sicherheitsabsperrungen würde eine der wenigen zusammenhängenden grünen Erholungsflächen in Kreuzberg nachhaltig beschädigen«, kritisiert Meiser. Gerade die protesterprobten Kreuzberger*innen würden sich so etwas sicherlich nicht ohne Weiteres gefallen lassen; die Zustimmung zum notwendigen Streckenausbau sei so gefährdet. »Die Grünen-geführte Verkehrsverwaltung muss ihren Widerstand gegen eine Umfahrung des Görlitzer Parks endlich aufgeben«, fordert der Linke-Abgeordnete. »Alles andere würde dem dringend notwendigen Ausbau des Straßenbahnnetzes einen weiteren Bärendienst erweisen.«

Harald Moritz, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, verteidigt die Schienenlegung mitten durch den Park. Eine Zerschneidung der Grünfläche durch Schienen mit Gittern als Sicherheitsvorkehrung hält er nicht zwingend für nötig. »Auf dem Alexanderplatz ist eine Querung der Tram-Schienen schließlich auch ohne Probleme möglich«, so Moritz. Gerade im Zusammenhang mit der ohnehin geplanten Umgestaltung des Parks ließe sich ähnliches realisieren. Und auch für die Gestaltung der Uferstraßen am Landwehrkanal gebe es bereits andere Ideen.

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Doch nicht nur aus Kreuzberg kündigt sich Widerstand an: So droht auch der Ausbau der Straßenbahn von Weißensee nach Pankow grüne Stadtidylle zu beschädigen. Hier bedroht die bevorzugte Strecke die Kleingartenkolonie Nordland, und es dürfte mit Protesten der gut organisierten Laubenpieper zu rechnen sein. Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linken, fordert daher, Streckenvarianten ohne Beanspruchung der Kleingartenanlage zu prüfen, damit die Verkehrswende endlich Fahrt aufnimmt.

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