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Eine Armutserklärung

Sinkende Renten verschärfen die Armutsgefährdung in der Region

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Rente ist nicht sicher. Sie ist wohl eher so unsicher wie nie zuvor. Die Coronakrise verstärkt das Problem, wie am Mittwoch bei der Vorlage des fünften Rentenreports des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) für die Region Berlin-Brandenburg deutlich wurde.

Christian Hoßbach, Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg, sprach vor allem angesichts der gegenüber früheren Jahrgängen deutlich niedrigeren Bezüge der Neurentner*innen des Jahres 2019 von einem »hochproblematischen Trend«.

Zahlen der Rentenversicherung zur Region
  • Die monatlichen Durchschnittsbezüge derjenigen, die 2019 in Altersrente gingen, lagen in Brandenburg um 154 Euro, in Berlin-West um 160 Euro und in Berlin-Ost um 213 Euro niedriger als bei sogenannten Bestandsrentnern.
  • Bei den Frauen ist diese Differenz deutlich geringer. Die monatlichen Durchschnittsbezüge der Neurentnerinnen lagen 2019 in Brandenburg bei 1.046 Euro und damit sogar um drei Euro höher als im Bestand. In Berlin-Ost (1.122 Euro) und Berlin-West (837 Euro) hingegen fielen sie um 10 beziehungsweise 27 Euro geringer aus, liegen aber über dem Bundesdurchschnitt (804 Euro).
  • 56 Prozent der neuen Altersrentnerinnen und 49 Prozent der neuen Altersrentner erhalten gesetzliche Altersbezüge, die unter der sogenannten Armutsschwelle liegen. 2019 wurde diese bundesweit für einen Ein-Personen-Haushalt mit monatlich 1.075 Euro beziffert.
  • Das Rentenniveau ist bis 2025 bei mindestens 48 Prozent festgeschrieben, danach könnte es nach der jetzigen Gesetzeslage schrittweise auf bis zu 42 Prozent fallen. dpa/nd

Besonders groß sind die Unterschiede dem neuen DGB-Rentenreport zufolge bei den Männern. Die monatliche Durchschnittsrente derjenigen, die 2019 in Rente gingen, lag demnach zwischen 154 Euro (Brandenburg) und 213 Euro (Berlin-Ost) niedriger als bei älteren Jahrgängen. Im Bundesdurchschnitt liegt das Minus bei 99 Euro. Zugleich sind die Unterschiede zwischen den Bezügen von Männern und Frauen in der Region deutlich geringer als im westlichen Bundesgebiet - was genauso auf die anderen ostdeutschen Bundesländer zutreffen dürfte, in denen die Erwerbstätigkeit unter Frauen zu DDR-Zeiten wesentlich höher war als in Westdeutschland.

Nur 18 Prozent der neuen Altersrenten in Berlin und Brandenburg sind den Angaben zufolge höher als 1.500 Euro. Mehr als die Hälfte der Neurenten in der Region liegen unter 1.075 Euro, die als Untergrenze gilt, bevor man von Armutsgefährdung spricht. »Die Armutsgefährdungsquote steigt, es hilft nichts, dazu zu schweigen«, erklärt Christian Hoßbach. Ein massives Problem verbirgt sich dabei hinter der großen Zahl derjenigen, deren Altersbezüge für ihren Lebensunterhalt nicht ausreichen und die auch im Rentenalter noch dazu verdienen müssen. Dies sind insgesamt 70.000 Menschen. Es sei davon auszugehen, dass ein sehr großer Teil dieser Menschen berechtigt wäre, die Grundsicherung im Alter in Anspruch zu nehmen, so der DGB-Vorsitzende.

Dabei beträgt die Zahl derjenigen, die schon jetzt auf diese Transferleistung zurückgreifen müssen, bereits 110.000, mit 6,6 Prozent ein mehr als doppelt so hoher Anteil als im Bundesdurchschnitt mit 3,0 Prozent. Als Hauptursache für den Trend rückläufiger Altersbezüge, der sich seit einiger Zeit verstärke, nennt Hoßbach die Umbrüche nach der Wende. Dazu gehörten verbreitete Arbeitslosigkeit, ein großer Niedriglohnsektor und prekäre Beschäftigung. Ein positiver Schritt sei die neue Grundrente, dies reiche aber nicht aus.

Die Rentensituation wird zukünftig auch von der Coronakrise stark beeinflusst werden, erklärt Volker Zibulski, Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Berlin-Brandenburg, anlässlich der Veröffentlichung des Reports. Zibulski berichtet von einer steigenden Zahl von Anträgen auf Reha-Leistungen aufgrund einer Covid-19-Erkrankung. »Es werden mehr Fälle, die Krankheitsverläufe werden schwerer, die Bewilligungszahlen in diesem Bereich steigen.« Zudem seien mehr jüngere Menschen betroffen als in der ersten Phase der Pandemie. »Das wird uns noch eine ganze Weile begleiten«, sagt der Rentenversicherungsvertreter. Die Kliniken seien damit beschäftigt, neue Konzepte zu erarbeiten. Auch im Bereich der Prävention gehe man neue Wege.

Viele Menschen könnten durch bessere Arbeitsbedingungen vor einer zu frühen Erwerbsminderung und dem Absturz in die Armut bewahrt bleiben, meint Zibulski. »Viele nehmen Angebote zur gesundheitlichen Prävention nicht wahr, sagen, sie könnten nicht fehlen, hätten dafür keine Zeit, oder glauben, sie bekommen Schwierigkeiten mit dem Chef«, beschreibt der Sozialmediziner die Probleme. Man versuche deshalb, flexiblere und alltagstauglichere Gesundheits- und Präventionsangebote zu unterbreiten.

Die sozial- und rentenpolitische Sprecherin der Linken in Brandenburg, Bettina Fortunato, bezeichnet den überdurchschnittlichen Einbruch bei den jüngeren Rentenjahrgängen als »bedrohlich«. Das sei »im wahrsten Sinne eine Armutserklärung«. Erwerbstätige müssten im Alter mit einer leistungsgerechten und solidarischen Rente gut abgesichert sein. »Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss gut von seiner Rente leben können«, sagt Fortunato. Die Finanzierung müsse gerecht und paritätisch von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen getragen und um einen steigenden Bundeszuschuss ergänzt werden.

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