Essen gehört nicht in den Müll

Ulrike Wagener über den Preis für Lebensmittelretter*innen

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 2 Min.

Einen Sommer lang habe ich im Backshop einer großen Supermarktkette in Berlin gearbeitet. Eine Filiale, in der sich viele Pfandsammler*innen mit Cent-Stücken Würstchen kauften. Jeden Abend fuhr ich einen Wagen übriggebliebene Brotlaibe, Brötchen, Plunder - am Wochenende auch Torten - zu einem abgeriegelten Häuschen und warf alles dort in den Müllcontainer. Danach musste ich dem Geschäftsführer meinen Rucksack zeigen: Hatte ich auch nichts eingesteckt? Manchmal aß ich vorher verschämt etwas beim Saubermachen in der Küche, weniger aus Hunger als aus Schuldgefühl den Pfandsammler*innen gegenüber. Dort wurde mir zum ersten Mal so richtig klar, was ich schon vorher wusste: Dass Unternehmer*innen in Deutschland vollkommen genießbares Essen lieber wegschmeißen, statt es Menschen günstig zu überlassen oder gar zu schenken.

Während das in Frankreich seit Jahren illegal ist, werfen deutsche Unternehmen jährlich 500.000 Tonnen Lebensmittel weg. Quasi staatlich gefördert. Dass Berlin nun Lebensmittelretter*innen auszeichnet, ist gut. Doch was sind 5000 Euro im Vergleich zu den Profiten der Unternehmen? Was in der Corona-Pandemie gilt, gilt auch hier: Strafen und Vorschriften für Einzelpersonen, Bitten an Unternehmen. Es wird Zeit, das umzukehren. Damit Menschen nicht verschämt Essen retten müssen, sondern alle Zugang haben zu überschüssigen Lebensmitteln. Und daraus darf nur folgen, dass im Zweifel gar nicht mehr so viel Überschüssiges produziert wird.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.