Schales Gefühl

Stephan Fischer zum Staatsakt für die Corona-Toten

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein Raum für Trauer sollte es sein - kein Moment der Aufarbeitung. Der Staatsakt für die Corona-Toten sollte den Hinterbliebenen zeigen, dass sie mit ihrem Schmerz nicht allein sind. Ein Zeichen der Verbundenheit des und der Einzelnen mit der Gesellschaft, ein gut gemeintes zweifelsohne - und doch bleibt ein schales Gefühl zurück.

Trauer ist ein absolut individueller Vorgang. Das zeigten auch die Geschichten der Menschen, die am Sonntag zur Sprache kamen. Aus den Zahlen Menschen machen - das eröffnet den Raum für Mitgefühl. Aber die Trauer der Hinterbliebenen, jeder und jede für sich an einem anderen Punkt, die Wut, die Angst, auch das Nicht-wahrhaben-Wollen, ist nicht in Worte zu fassen, die allgemein gültig sind und sich dabei nicht in - ja auch - gefühlter Oberflächlichkeit erschöpfen.

Präsident Steinmeier wirkt ehrlich ergriffen. Doch sind Appelle »an den Zusammenhalt in der Gesellschaft« leer. Es gab sie vielfach vor und bei Beginn der Pandemie, die auch aufzeigt, wie schlecht es um ebendiesen bestellt ist. Die Corona-Pandemie ist nicht vorbei - einem Staatsakt vor dem Höhepunkt der vielleicht schlimmsten Welle müsste ein weiterer folgen.

Den Toten Namen und Geschichte geben ist richtig. Nur leider werden viele der Geschichten einen Teil enthalten, in dem politisches Handeln oder Nichthandeln eine unrühmliche bis fatale Rolle spielen. Das Mitgefühl des Bürgers Frank Walter Steinmeiers ist hoch anständig. Seine Aufgabe als Bundespräsident - und viel mehr noch die der Regierungschefs - ist es aber, bei der Pandemiebekämpfung alles dafür zu tun, um nicht gegenüber mehr Menschen Mitgefühl äußern müssen als nötig.

Ein Raum für Trauer war der Staatsakt - und ab sofort muss wieder Raum für Aufarbeitung sein, die zu Korrekturen im Handeln führt. Denn noch immer sterben jeden Tag Menschen an Covid-19.

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