E-Bikes sind ein hohes Risiko für Senioren

die Unfallversicherung kann die finanziellen Folgen nur mildern

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 5 Min.

Hamburgs Behörden haben alle schweren Nutzfahrzeuge mit Abbiege-Assistenzsystemen ausgerüstet. Dieses Vorhaben hatte sich der Senat der Hansestadt bereits Anfang vergangenen Jahres zum Ziel gesetzt. Denn trotz aller bisherigen Vorbeugemaßnahmen führen Abbiegeunfälle zwischen Lkw und Fußgängern oder Radfahrern immer wieder zu schweren bis tödlichen Verletzungen. Technische Abbiegeassistenten können helfen, viele dieser Unfälle zu vermeiden und damit Leben zu retten. Denn die Systeme sorgen dafür, dass der Fahrer auf Personen im »toten Winkel« rechtzeitig aufmerksam wird.

Für 2021 plant die Hamburger Landesregierung, auch Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen nachzurüsten, so dass die Umrüstung der gesamten städtischen Nutzfahrzeugflotte bis zum Ende de Jahresende abgeschlossen sein soll. Mehrere private Unternehmen haben sich zuletzt der Senatsinitiative angeschlossen und treiben die Umrüstung ihrer Fahrzeugflotten voran. Auch außerhalb der Hansestadt bekannte Speditionen wie Dachser, Elkawe oder Otto Dörner sind am Umrüsten.

Hamburg ist nur ein (positives) Beispiel von vielen in der Europäischen Union. Eine EU-weite verpflichtende Einführung von Abbiegeassistenten ist ab Juli 2022 für neue Fahrzeugtypen und ab Juli 2024 für alle neuen Lkw und Busse vorgesehen. Eine Pflicht zum Nachrüsten wird es hingegen nicht geben.

Besonderes »Gefährdungspotenzial«

Dadurch bleiben ältere Fahrradfahrer besonders gefährdet. Zwar ging die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr 2020 insgesamt deutlich zurück. Dies führt das Statistische Bundesamt (Destatis) insbesondere darauf zurück, dass wegen der Corona-Pandemie auf deutschen Straßen deutlich weniger Kilometer zurückgelegt wurden als im Vorjahr. Aber ganz gegen den erfreulichen allgemeinen Trend bei Autofahrern, Fahrradfahrern und Fußgängern nahm die Zahl der getöteten Pedelec-Fahrer*innen von Januar bis November 2020 um rund 20 Prozent zu! Pedelecs sind Fahrräder mit Elektromotor, auch E-Bike genannt.

Nun mag die Zahl von 137 Unfalltoten auf den ersten Blick vergleichsweise gering erscheinen, doch die Zahl der Verletzungen und glimpflicher verlaufenden Unfälle mit E-Bikes ist x-fach größer und dürfte in die Zehntausende gehen. Aufgrund der unbekannten Dunkelziffer bleibt die genaue Anzahl der Unfälle letztlich unbekannt.

E-Bikes boomen in Deutschland. Zum Jahresanfang 2020 besaßen laut Destatis 4,3 Millionen Haushalte in Deutschland mindestens ein Elektrofahrrad. Nach Angaben der Hersteller dürfte die Zahl der Haushalte mittlerweile bei über 5 Millionen liegen. Anfang 2015 standen erst in 1,5 Millionen Haushalten Elektrofahrräder. Damit hat sich die Zahl der Privathaushalte mit E-Bikes in den vergangenen Jahren verdreifacht.

Lukrativ für Unfallversicherungen

Dabei besaßen Haushalte, deren Haupteinkommensperson zwischen 55 und 79 Jahren alt war, am häufigsten Elektrofahrräder. Doch mit der Zahl der Räder stieg leider auch die Zahl von Unfällen. Besonders häufig betroffen sind daher ältere Menschen. »Unterschätzt wird meist die Unterstützung des Elektromotors«, erklärt Schadenexpertin Margareta Bösl von der genossenschaftlichen Universa Versicherung in Nürnberg. E-Bike-Fahrer seien damit oft schneller unterwegs als mit einem normalen Fahrrad und als es ihre eigenen Fertigkeiten zulassen.

Besonders für ältere Menschen ist es deshalb ratsam, das Fahrtempo gering zu halten und nicht die volle Geschwindigkeit des E-Bikes auszunutzen. Neben einem Helm, der vor schweren Kopfverletzungen schützt, sollte man auch an den passenden Unfallversischerungsschutz denken.

Die Branche inzwischen auf Talfahrt

Allerdings haben die Anbieter in dieser Sparte schon seit geraumer Zeit mit sinkenden Beständen zu kämpfen. Allein zwischen 2014 und 2018 ging es laut »Versicherungsjournal« um rund 700 000 auf rund 25 Millionen Verträge bergab.

Für die Branche ist diese Talfahrt ärgerlich. Schon seit Langem gehört die private Unfallversicherung zu den profitabelsten Zweigen der Assekuranz hierzulande. Seit 2007 erzielte die Branche durchgängig eine kombinierte Unfallversicherung von um die 80 Prozent, geht aus den Zahlen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor. 2020 lag der versicherungstechnische Gewinn immerhin bei 25 Cent pro Beitragseuro. In der Kfz-Versicherung sind es etwa 2 Cent.

Das sinkende Interesse der Kundschaft dürfte unter anderem daran liegen, dass die Unfallversicherung nicht unumstritten ist. Zum einen bietet die gesetzliche Unfallversicherung eine Mindestabsicherung. Und nicht immer zahlt die private Unfallversicherung, wenn sie zahlen soll.

Ist ein Unfall zum Beispiel Folge einer Bewusstseinsstörung durch Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch oder einen epileptischen Anfall, zahlen viele Versicherer nicht. Das gilt oft auch für Unfälle nach einem Herzinfarkt. Nur sehr gute Tarife bieten Leistungen an - zumindest zum Teil. »Es lohnt sich«, so die Stiftung Warentest, »in den Bedingungen darauf zu achten, was in solchen Fällen tatsächlich gilt.«

Die Police sollte für den Ernstfall einer dauerhaften Invalidität ausreichend bemessen sein, anfallende Bergungs- und Rettungskosten übernehmen und ein professionelles Rehabilitationsmanagement im Ernstfall ermöglichen. Besonders für Alleinstehende sind auch sogenannte Assistance-Leistungen sinnvoll. Darüber sind meist umfangreiche Hilfe- und Pflegeleistungen nach einem Unfall versichert, wie zum Beispiel täglicher Menüservice, regelmäßige Besorgungen und Einkäufe, Wäscheservice, Reinigung der Wohnung, Begleitung zu Arztbesuchen und ein Hausnotrufdienst mit 24-stündiger Rufbereitschaft. Empfehlenswerte Tarife gibt es schon für rund 40 Euro im Jahr.

Unser Tipp: Die Zeitschrift »Finanztest« der Stiftung Warentest hat Unfallversicherungen mit Assistance-Bausteinen für Senior*innen getestet. Der Test kann im Internet unter test.de für 0,75 Euro heruntergeladen werden (www.test.de/Unfallversicherung-fuer-Senioren-Das-bieten-Assistance-Tarife-4540475-0/).

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