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»Bildung ist wichtig«
In Argentinien gibt es Proteste gegen die Schließung von Schulen
Lautes Kochtopfschlagen schepperte durch Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires. Wegen der ab 20 Uhr herrschenden Ausgangssperre brachten die Stadtbewohner*innen ihren Protest auf Balkonen und Fenstern zum Ausdruck. Gerade hatte ein Bundesrichter den Präsenzunterricht an den Schulen der Hauptstadt untersagt. Dann kam die Wende. Noch vor Mitternacht erklärte die Stadtregierung: Die Schulen werden geöffnet, der Unterricht findet statt.
Seit Tagen herrscht in Buenos Aires das Chaos in Sachen Präsenzunterricht. Wegen steigender Corona-Infektionszahlen hatte Präsident Alberto Fernández die Schließung der Schulen in der Hauptstadt und im Großraum von Buenos Aires angeordnet. Ab Montag sollte in der Área Metropolitana der Unterricht für zwei Wochen ausschließlich virtuell stattfinden. Die Stadtregierung widersprach: Die geringe Gefahr einer Ansteckung auf dem Schulweg und in den Klassenzimmern rechtfertige keine Schulschließung, so das Argument, und reichte beim Obersten Gerichtshof Klage ein.
Während in dem zur Provinz Buenos Aires gehörenden Großraum die Schulen geschlossen blieben, rebellierten in der Hauptstadt erfolgreich Eltern und Schüler. Am Sonntag setzte ein Berufungsgericht der Hauptstadt die Anordnung des Präsidenten außer Kraft und gab dem Antrag einer Elterngruppe auf eine einstweilige Verfügung statt. Lehrergewerkschaften kritisierten die Entscheidung und kündigten ihrerseits Streiks und Proteste an.
»Am Montag findet an den Schulen der Hauptstadt der Präsenzunterricht statt«, kündigte Bürgermeister Rodríguez Larreta am Sonntagabend um 22 Uhr 30 Ortszeit an - zu einer Zeit, als bereits viele Schüler*innen schlafen gegangen waren. Rund 60 Prozent der Schulpflichtigen erschienen am anderen Morgen zum Unterricht. Dabei ist eine Teilnahme nicht zwingend und ein Fernbleiben darf nicht sanktioniert werden, solange der Oberste Gerichtshof nicht entschieden hat. Das hatte Verwaltungsrichter Guillermo Scheibler in einem weiteren Urteil eigens entschieden.
Die Begründung des Richters ist beeindruckend: »Diejenigen von uns, die Kinder im schulpflichtigen Alter haben, waren in den vergangenen Stunden schockierte Zeugen einer Eskalation von Verwirrung / verbaler Gewalt / endlosen Auseinandersetzungen / unbeschreiblicher Angst. Das Wort, das das Gefühl der großen Mehrheit vielleicht am besten definiert - hier glaube ich, dass wir von einem ›Konsens‹ sprechen können -, war das der Unsicherheit. Es ist eine dramatische und dynamische Realität, auf die die zuständigen Exekutivorgane derzeit keine koordinierte Antwort geben.«
Fernández’ Schließungsanordnung kam tatsächlich völlig überraschend. Noch am selben Tag hatten sein Bildungsminister und seine Gesundheitsministerin dies ausgeschlossen. Er habe die Entscheidung ganz allein getroffen, erklärte der Präsident später. An den folgenden Tagen protestierten Eltern und Schulpflichtige auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast und vor der Residenz des Präsidenten in der Vorstadt Olivos. »Bildung ist wichtig« und »Nein zur Schließung von Schulen« war auf Schildern und Transparenten zu lesen. Bereits im vergangenen Jahr war nahezu der gesamte Präsenzunterricht ausgefallen.
Inzwischen ist der Konsens zerbrochen, mit dem die erwähnten Exekutivorgane ihre Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus abstimmten und kommunizierten. Noch vor einem Jahr waren die Unterstützungswerte für Präsident Alberto Fernández gerade wegen seines konsensualen, aber auch entschlossenen Umgangs mit der Pandemie in die Höhe geschossen, während die Kurve der Corona-Infizierten flach blieb. Ein Jahr später haben sich Werte und Kurve umgekehrt.
Symbolisch steht dafür das Foto des Präsidenten, der vergangene Woche vollkommen allein in seiner Residenz die Corona-Maßnahmen verkündete. Der Bruch mag auch den widersprüchlichen politischen Ansichten der Beteiligten geschuldet sein. Was für den Präsidenten jedoch weitaus schwerer wiegt, ist der Ungehorsam, mit dem ein wachsender Teil der Bevölkerung auf seine Anordnungen reagiert. Dem Präsidenten droht ein Autoritätsverlust.
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