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Ohne Zukunft
Fritz Keller hat sich an den Herausforderungen eines DFB-Präsidenten verhoben
Akkurat hängt das Sakko über dem Stuhl, vor ihm stehen Brötchen, Kaffee, Joghurt und ein Ei. Dieses Bild vom allein am Tisch frühstückenden Fritz Keller entstand am Wochenende in einem Hotel am Templiner See, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) blickte ins Leere. Dieser Schnappschuss auf der Zielgerade seiner Amtszeit fügt sich nahtlos in die Sequenz zum Start: Unvergessen, wie der gerade zum neuen Oberhaupt des größten deutschen Sportverbandes ernannte Gastronom vom Kaiserstuhl auf der Bühne der Frankfurter Messe mit einem Blumenstrauß in der Hand herumlief und fragte: »Wo soll ich denn hin?«
Das war am 27. September 2019, als auf dem DFB-Bundestag 257 Delegierte nach einem einstimmigen Votum noch aufmunternden Applaus spendeten. Davon ist 584 Tage später nichts mehr geblieben. Seit dem Wochenende belastet ein historisches Misstrauensvotum den 13. Präsidenten der Verbandshistorie. Die Chefs der Regional- und Landesverbände fordern den Rücktritt: mit 26 Ja-Stimmen, neun Nein-Stimmen, zwei Enthaltungen. Der 64-Jährige muss nun für sich ausloten, wie lange er das Kreuzfeuer der Kritik noch aushält. Auch wenn sein Intimfeind, Generalsekretär Friedrich Curtius, ebenfalls seines Amtes enthoben werden soll und Vizepräsident Rainer Koch sowie Schatzmeister Stephan Osnabrügge bei je 13 Gegenstimmen nicht unerheblich beschädigt sind.
Doch erst mal blickt alles auf Keller. Es heißt, er wolle die Einlassungen der Ethikkommission des Verbandes zu seinem Nazi-Vergleich abwarten. Er hatte in einer Präsidiumssitzung Koch als »Freisler« bezeichnet und so mit Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes im Nationalsozialismus, verglichen. Trifft Keller keine Entscheidung, muss der DFB-Vorstand entscheiden. Es könnte auf eine Kampfabstimmung mit etlichen Verlierern hinauslaufen. Dass erst ein außerordentlicher Bundestag die Machtfrage entscheidet, soll verhindert werden. Beugt sich der preisgekrönte Winzer dem öffentlichen Druck, würden zuerst die beiden Vizepräsidenten übernehmen: also ein drittes Mal Strippenzieher Koch und Peter Peters als stellvertretender Sprecher des Präsidiums der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Keller wäre nach Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel der dritte DFB-Boss in Folge, der nach einer Schlammschlacht scheidet.
Alle Skeptiker könnten sich bestätigt fühlen, dass sich der ehemalige Klubchef des SC Freiburg an der Herausforderung des Präsidentenamtes beim DFB verheben musste. Um die Klammer zu bilden, fehlte ihm einiges - auch Gespür für die internen Strömungen. Amateure und Profis lagen bereits bei seinem Amtsantritt im Clinch, die Frauen fühlten sich als fünftes Rad am Wagen, den oft wie ein Gutsherr führenden Grindel konnten viele Verbandsangestellte nicht mehr leiden. Diese Gräben sollte der leutselige Genussmensch mit der netten verwandtschaftlichen Verbindung zum deutschen Fußballidol Fritz Walter schließen. Nur: Wenn die damals herrschenden Streitpunkte einer kleinen Schlucht im Schwarzwald glichen, hat sich jetzt ein Grand Canyon aufgetan. Nie war der Verband gespaltener. Dass ausgerechnet Keller seinen Gegenspieler Koch mit einem der schlimmsten Nazi-Richter verglich, macht ihn für viele untragbar. Seine cholerische Ader war durchaus bekannt, aber für diese Entgleisung fehlen weiterhin die Erklärungen.
Die hauseigene Ethikkommission prüft vermutlich die verbale Tirade aus dem Intrigantenstadl im Frankfurter Stadtwald. Es zeigt aber zugleich, welche erbitterte Fehde Keller mit seinen Präsidiumskollegen ausgetragen hat. Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Machtmensch Koch, General Curtius und Finanzmann Osnabrügge unterschätzten offenbar, mit welch Verve sich der Präsident trotz frisch beschnittener Richtlinienkompetenz hinter den Kulissen an die Aufräumarbeiten machte. Keller wollte nicht nur Grüß-Onkel sein. Der Unternehmer drehte mehr Steine um, als vielen lieb war. So störte er sich früh an dubiosen Beraterverträgen, die die Gegenseite bereits seit April 2019 mit dem Medienberater Kurt Diekmann geschlossen hatte. Offenbar sind annähernd eine halbe Million Euro geflossen. Wofür?
Es heißt: Der Präsident wollte oft das Richtige, machte es aber häufig schlecht. Manches wirkte auch naiv. Wie ein Fünf-Punkte-Plan für mehr Nachhaltigkeit. Drin war gleich die ganze Bandbreite: das Ehrenamt stärken, Gehaltsobergrenzen einführen. Zur Überforderung kam dann noch die Coronakrise hinzu. Die meisten Mitarbeiter im Homeoffice, gekappte Verbindungen, neue Arbeitsabläufe. Für einen noch nicht optimal vernetzten Präsident waren das schlechte Bedingungen.
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In der Pandemie unterliefen Keller auch Fehler im Umgang mit Joachim Löw, den er doch eigentlich so gut kannte. Selbst der Bundestrainer ging auf Distanz zu einem Mann, der als DFB-Chef keine Zukunft hat. Vielleicht hat die damals eigens einberufene Findungskommission schlicht den falschen Kandidaten ausgewählt. Wer irgendwann auf Keller folgt, sollte daher nicht wieder von denselben sechs Herrschaften aus DFB und DFL bestimmt werden. Es braucht einen Neuanfang auf allen Ebenen.
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