Nächste Station Komplettöffnung

Die Erweiterung des Betreuungsangebot in den Kitas sorgt für Verwirrung und Ärger

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Kreis der Kinder mit einem generellen Betreuungsanspruch in den Berliner Kitas wird erweitert. Etwas unter dem Radar der Öffentlichkeit hat der Senat am Dienstag beschlossen, dass die Kita-Träger ab kommender Woche allen Vierjährigen Zugang zur sogenannten Notbetreuung gewähren müssen. Am Mittwoch ergänzte schließlich ein Sprecher der Senatsfamilienverwaltung gegenüber »nd«, dass das Betreuungsangebot auch auf die Fünfjährigen ausgeweitet wird. Familiensenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte im Anschluss an die Senatssitzung erklärt, sie sei »sehr froh, dass wir jetzt einen weiteren Schritt gehen können hin zur Normalisierung des Kita-Betriebs«.

Alles andere als froh ist der vor Kurzem gegründete Landesverband sozialpädagogischer Fachkräfte, der auch die Interessen der Kita-Beschäftigten vertritt. Die Verbandsvorsitzende Kerstin Schönherr befürchtet einen Jojo-Effekt: »Wir machen die Kitas immer weiter auf, dann steigen die Infektionszahlen, dann machen wir wieder dicht«, sagt Schönherr, die eine Kita mit 130 Kindern in Moabit leitet, zu »nd«. Dabei wäre es »immer noch geboten, die Kontakte zu reduzieren« – was aber schon im aktuell gültigen Notbetreuungsmodus kaum möglich sei.

Tatsächlich sind die Kitas momentan im Durchschnitt bereits zu zwei Dritteln, in der Spitze auch weit darüber ausgelastet, wie Scheeres vergangene Woche im Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses erklärte. Kein Wunder, ist doch der Kreis der Anspruchsberechtigten auch bisher durchaus großzügig gefasst. Kinder von Alleinerziehenden haben ebenso Zugang zur Notbetreuung wie Jungen und Mädchen, die im Sommer eingeschult werden. Hinzu kommen Kinder von Eltern mit »systemrelevanten« Berufen, die in einer nicht enden wollende Liste aufgeführt sind. Nun folgen also zusätzlich auch alle Vier- und Fünfjährigen, die hier noch nicht berücksichtigt waren. Aus der Familienverwaltung heißt es auf nd-Anfrage, man gehe davon aus, »dass netto circa 15.000 Kinder zusätzlich anspruchsberechtigt sind«.

»Das ist mal wieder nichts Halbes und nichts Ganzes«, sagt Nancy Schulze, Vorsitzende des Landeselternausschusses Kita. Eine längerfristige Öffnungsperspektive – unter vernünftigen Hygienebedingungen und mit einer schlüssigen Teststrategie – kann sie hierin nicht erkennen. »Auch wir wollen unsere Kinder schützen. Deshalb kann es doch nicht darum gehen, die Kitas einfach volllaufen zu lassen«, sagt Schulze zu »nd«. Als sie von dem Öffnungsschritt gehört habe, »wusste ich nicht, ob ich weinen oder lachen soll«. Dies umso mehr, als in der Ankündigung der neuen Regelung die Fünfjährigen zunächst vergessen worden waren. Die älteren unter ihnen waren mit an Bord, weil sie ab August die Grundschule besuchen, die jüngeren nicht. »Wir haben da ein paar Pirouetten gedreht«, räumt Scheeres’ Sprecher ein. Natürlich hätten auch alle jüngeren Fünfjährigen ab kommender Woche einen Betreuungsanspruch.

Das gehe so nicht, ärgert sich Kita-Leiterin Kerstin Schönherr. Denn zum wiederholten Mal stimme die Reihenfolge in der Informationskette nicht: Zunächst werde die Presse informiert, bevor die Kita-Träger mit Details versorgt werden. »Das ist doch schon wieder von hinten durch die Brust ins Auge«, sagt Schönherr. »Wir brauchen eine Vorlaufzeit.«
Familiensenatorin Scheeres stellt derweil bereits eine baldige Komplettöffnung der Kitas in Aussicht. So sollen, »sofern es das Infektionsgeschehen zulässt«, die Kitas in einem nächsten Schritt »wieder für alle Berliner Familien und Kinder geöffnet werden«, heißt es aus ihrer Verwaltung.

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