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- Regionalwahlen in Frankreich
Abgrenzung von Macron hat Vorrang
Rechtsbürgerliche Opposition in Frankreich laviert vor den Regionalwahlen bei rechtsextremen Offerten
Die von Präsident Emmanuel Macron gegründete und seit seiner Wahl 2017 die Regierung tragende Bewegung La République en marche (LRM) ist stark auf Paris fixiert. In den Kommunen, Departements und Regionen ist sie bisher kaum verankert. Davon könnte bei den Regionalwahlen im Juni nicht zuletzt das rechtsextreme Rassemblement National (RN) profitieren, das einheitlich auftritt während das rechtsbürgerliche und das linke Lager sich intern uneins sind.
Die Bewegung En marche wollte in der Region Provence-Alpes-Côte d‘Azur (PACA) auf eine eigene Liste verzichten, damit die RN dort nicht den Sieg davonträgt und erstmals eine der 13 Regionen des Landes regieren kann. En marche wollte dort deshalb den rechtsbürgerlichen Regionalratspräsidenten Renaud Muselier unterstützen. Für den war diese Anfang vergangener Woche durch Regierungschef Jean Castex in einem Interview wie beiläufig gemachte Ankündigung hochwillkommen. »Das ist eine vernünftige Entscheidung gegen die Extremisten«, erklärte Muselier.
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Die RN ist im Südosten wie im Nordwesten Frankreichs besonders stark. Die bürgerlichen und linken Parteien sind hier besonders unter Druck und Museliers Wiederwahl als Regionalratspräsident ist längst noch nicht sicher. Doch die Führung der rechten Oppositionspartei Les Républicains (LR), die ihn als ihren Spitzenkandidaten in der Region aufgestellt hatte, reagierte ablehnend auf Castex Offerte und drohte, Museliers Nominierung zurückzuziehen. »Im ersten Wahlgang geht es um Klarheit und Treue zu seinen Überzeugungen und natürlichen Verbündeten«, erklärte der Parteivorsitzende Christian Jacob und deutete damit an, dass ein Zweckbündnis mit der Bewegung En marche bestenfalls im zweiten Wahlgang denkbar wäre.
Viele Mitglieder und Wähler der Partei der Republikaner lehnen Emmanuel Macron, dessen Politik und auch Bewegung LRM grundsätzlich ab. Für die Führung der Republikaner stehen die Glaubwürdigkeit und der Bestand der Partei auf dem Spiel, da Präsident Macron seit Jahren populäre LR-Politiker abgeworben und zu Ministern oder gar zum Regierungschef gemacht hat und auch durch das Aufgreifen von politischen Ideen und Forderungen, die bisher von den Republikanern vertreten wurden, immer mehr traditionelle Rechtswähler auf seine Seite zieht - nicht zuletzt im Interesse seiner Wiederwahl als Präsident 2022. Um dem entgegenzuwirken, will sich die LR-Führung mit aller Kraft von Macron, seiner Regierung und seiner Bewegung abgrenzen. Darauf setzen wiederum die Rechtsextremen. Ihr Spitzenkandidat in der Region PACA, Thierry Mariani, ein ehemaliger Minister des rechten Präsidenten Nicolas Sarkozy, sagte an die Adresse der Mitglieder und Anhänger der Republikaner gewandt: »Lasst nicht zu, dass Macron eure Kandidatenliste aufstellt, sondern schließt euch mit uns zusammen, denn wir vertreten doch die gleichen Grundpositionen.« Damit sind vor allem die Themen Sicherheit und Ausländer gemeint.
In einer Krisensitzung des Parteivorstands der Republikaner Mitte vergangener Woche musste Renaud Muselier, um seine Spitzenkandidatur zu bewahren, der LR-Führung versichern, dass er auf seine Kandidatenliste keine LRM-Abgeordneten oder -Minister aufnehmen wird. Die Bewegung En marche bedauert das und stellt nun eine eigene Kandidatenliste für die Region PACA auf, mit der Staatssekretärin Sophie Cluzel als Spitzenkandidatin neben und gegen Muselier.
Aus Protest gegen das Taktieren ihrer Parteiführung sind am Donnerstag zwei prominente Republikaner, die Bürgermeister von Nizza und Toulon Christian Estrosi und Hubert Falco, demonstrativ aus der Partei ausgetreten. »Ich beobachte mit wachsender Sorge, dass immer mehr Leute an der Spitze dieser Partei die Annäherungsversuche der Rechtsextremen nicht mehr klar zurückweisen und sich offenbar ein ›Zweckbündnis‹ mit ihnen durchaus vorstellen können«, sagte Estrosi. Doch wenn es nicht mehr über die Parteigrenzen hinweg die traditionelle »Republikanische Front« aller demokratischen Kräfte gegen die Rechtsextremen gibt, dann rückt für die der Sieg schon in greifbare Nähe.
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