Versenkt

HEISSE ZEITEN – DIE KLIMAKOLUMNE: Mit dem neuen Klimagesetz muss vor allem die nächste Bundesregierung umgehen

  • Anke Herold
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf einmal geht es rasant: Nur 13 Tage nach dem historischen Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das höhere Emissionsminderungen bis 2030 angemahnt hatte, beschloss das Kabinett am Mittwoch ein revidiertes Klimaschutzgesetz. Darin wird das nationale Minderungsziel für das Jahr 2030 von 55 auf 65 Prozent gegenüber 1990 erhöht. Treibhausgasneutralität soll schon 2045 und nicht erst 2050 erreicht werden. Die Sektorziele für 2030 wurden verschärft und jährliche Minderungsziele bis 2040 wurden eingefügt.

Neu ist am revidierten Klimagesetz, dass die natürlichen Treibhausgassenken aus den Wäldern und der Landnutzung in das Gesamtziel eingerechnet werden. Bisher waren die Wälder und Böden wegen hoher Unsicherheiten der künftigen CO2-Einbindung nicht im Klimaziel enthalten. Im Jahr 2030 sollen nun aber netto 25 Millionen Tonnen CO2 in Böden und Wäldern gespeichert werden, die dann sechs Prozent der Emissionsmenge ausgleichen. Bis 2040 soll die Netto-Einbindung auf 35 Millionen Tonnen CO2 und bis 2045 auf 40 Millionen Tonnen steigen.

Wälder und Landnutzungsaktivitäten binden derzeit netto 18,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in ihrer Biomasse ein. Die Größenordnungen der im Klimagesetz erwarteten Nettosenken von 25 Millionen Tonnen in 2035 oder 40 Millionen Tonnen in 2045 überraschen sehr: Denn die jüngsten offiziellen Treibhausgasprojektionen der Bundesregierung sagen voraus, dass dieser Sektor ab 2030 zu einer Nettoemissionsquelle von 19 Millionen Tonnen CO2 werden wird. Studien des Öko-Instituts gehen ebenfalls davon aus, dass sich der Sektor bis 2030 in eine Quelle umgewandelt haben wird, allerdings nur von 2 Millionen Tonnen CO2. Der bisher historisch höchste je erreichte Wert an Senkenwirkung im Landnutzungssektor lag 1995 bei 34 Millionen Tonnen, unterhalb der Senkenziele für 2040 oder 2045 im Klimaschutzgesetz.

Ein Grund für die künftig sinkende Senke liegt in der Altersstruktur der Wälder. Alte Wälder speichern immer weniger CO2, und die deutschen Wälder sind in die Jahre gekommen. Selbst wenn diese nun massiv geerntet und nachgepflanzt werden, gibt es dann 2030 viele junge Bäumchen, die in den ersten Jahren noch nicht viel CO2 einbinden können.

Der zweite Parameter, der die Senkenwirkung der Wälder bestimmt, ist der Holzeinschlag: Im vergangenen Jahr erreichte dieser durch die klimabedingten Waldschäden Rekordwerte. Die Nachfrage nach Bioenergie steigt. Hohe CO2-Preise machen Kohle unwirtschaftlich und Kohlekraftwerke in der EU beginnen, Biomasse zu verbrennen. Holzöfen und Pelletheizungen werden immer beliebter.

Die Emissionen aus der Holzverbrennung werden allerdings im Landnutzungssektor, nicht im Energiesektor gezählt. Die Holznutzung im Baubereich wird gerade kräftig gefördert und wird daher ebenfalls zunehmen. Die USA importieren momentan sehr viel Holz aus Deutschland, weil in Kanada der Bergkiefernkäfer die Bäume zerstört und Trumps Ausfuhrzölle kanadisches Holz verteuert haben. Auch Chinas Baukonjunktur boomt und das Land kauft gerade große Holzmengen aus Deutschland. Knapp die Hälfte des deutschen Waldes gehört privaten Waldbesitzern, die sich in ihrer Holzernte an dem Marktpreisen orientieren und diese steigen gerade enorm. Außerdem wächst die Siedlungs- und Verkehrsfläche jeden Tag um 52 Hektar, diese Umwandlung ist der Hauptgrund für die Abholzung in Deutschland und die damit verbundenen Emissionen.

Und dann ist da noch die Klimakrise: Trockenheit, Stürme und der Borkenkäfer machen gerade den Wäldern schwer zu schaffen. Diese negativen Klimawirkungen auf die Wälder werden weiter zunehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Prognose einer historisch noch nie erreichten Senkenwirkung mehr als optimistisch. Durch welche Maßnahmen soll dies erreicht werden: Holzeinschlag verbieten? Siedlungsbau verbieten? Darüber darf dann eine neue Bundesregierung nach den Bundestagswahlen grübeln, der die alte Regierung mit der Höhe der geplanten Senken noch schnell ein Kuckucksei ins Netz legt.

Die Geoökologin Anke Herold ist Geschäftsführerin des Öko-Instituts Freiburg.

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