• Politik
  • Attentat auf Parlamentspräsidenten

Suche nach Tätern und Motiv auf Malediven

Attentat auf Parlamentspräsidenten Mohamed Nasheed hat die Politik des Inselstaats schwer erschüttert

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Rahmen einer landesweiten Antiterrorismus-Operation haben Sicherheitskräfte der Malediven am vergangenen Sonnabend sieben Männer festgenommen. Die Verdächtigen gingen den gemeinsam operierenden Einheiten von Polizei und Militär in Addu City auf dem südlichsten Atoll des Inselstaates im Indischen Ozean ins Netz. Noch immer läuft die Fahndung nach weiteren Verdächtigen, nachdem der frühere Präsident und heutige Parlamentsvorsitzende Mohamed Nasheed (53) am Abend des 6. Mai bei einem ihm geltenden Bombenattentat nur knapp mit dem Leben davongekommen war.

Bei dem Anschlag war ein improvisierter Sprengsatz an einem Motorrad in dem Moment explodiert, als der international prominenteste Politiker des südasiatischen Landes sein Haus verließ und ins Auto steigen wollte. Während Nasheed dabei schwerste Verletzungen davontrug, wurden durch die heftige Detonation, die in der ganzen Hauptstadt Malé zu hören war, auch zwei Leibwächter und zwei Passanten verletzt.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Am zurückliegenden Donnerstag wurde Nasheed nach Berlin ausgeflogen und wird nun in einer deutschen Klinik weiter behandelt, nachdem in seiner Heimat die Ärzte in einer 16-stündigen Not-OP bereits diverse Splitter aus dem Körper des Politikers entfernt hatten. Eines dieser Geschosse soll sein Herz nur um einen Zentimeter verfehlt haben. Nach allem, was bekannt ist, befindet sich Nasheed mittlerweile auf dem Wege der Besserung. Bereits bald nach der ersten OP hatte er gegenüber Journalisten erklärt, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut.

Darüber, wer genau hinter dem knapp fehlgeschlagenen Anschlag stecken könnte, hüllen sich maledivischen Behörden noch immer in Schweigen. Offiziell hat sich bislang niemand zu der Tat bekannt. Dahinter vermutet werden können radikale Islamisten, die möglicherweise in direkter Verbindung zum Netzwerk Islamischer Staat (IS) stehen oder zumindest aus dessen weiterem Dunstkreis stammen. Dass von den Malediven, wo eine besonders konservative Form des Islam praktiziert wird, zahlreiche Extremisten stammen, die in den Nahen Osten zogen, als der IS weite Teile Iraks und Syriens unter seiner Kontrolle hatte, ist kein Geheimnis.

Einige dieser Kämpfer sind inzwischen heimgekehrt, aber auch diverse islamistische Netzwerke sind auf den Malediven aktiv. Nasheed, der ab 2008 erster demokratisch gewählter Präsident des Inselstaates war und der vier Jahre später durch einen Putsch seiner konservativen Gegner zum Abtreten gezwungen wurde, hatte über viele Jahre öffentlich immer wieder vor diesen Untergrundstrukturen gewarnt. Auch die Menschenrechtsvereinigung Human Rights Watch (HRW) kritisierte in einer Erklärung nach dem Attentat auf Nasheed, dass der Staat viel zu lange Versäumnisse im Kampf gegen solche Radikalisierungstendenzen angehäuft hat.

Nun versucht die Politik auf den Malediven, sich von dem dramatischen Ereignis zu erholen. Die Maledivische Demokratische Partei (MDP), wichtigste Regierungskraft, hat parteiinterne Wahlen, die eigentlich am 29. Mai angestanden hätten, zunächst einmal verschoben. Nasheed ist nicht nur Parlamentsvorsitzender, sondern zugleich Parteichef der liberalen MDP. Staatspräsident Ibrahim Mohamed Solih, ein enger Vertrauter Nasheeds, erklärte, dies sei nicht der Moment für Konkurrenz, sondern für Einheit. Solih hat nach Meldungen maledivischer Medien am Sonnabend auch eine Untersuchung hinsichtlich eines möglichen Versagens des Geheimdienstes einleiten lassen.

Denn noch ist für die Öffentlichkeit unklar, wie es zu dem Anschlag kommen konnte, obwohl für Nasheed die höchste Sicherheitsstufe gilt - nicht zuletzt aufgrund früherer Bedrohungen. Der Ex-Präsident, der sich während seiner Amtszeit als einer der wichtigsten Mahner in Sachen Klimawandel international einen Namen machte, sah sich zuletzt nicht nur durch islamische Extremisten gefährdet: Nasheed hatte Enthüllungen in einem großen Korruptionsfall angekündigt. Als erstes Land hat unmittelbar nach dem Anschlag der traditionell auf den Inseln einflussreiche große Nachbar Indien Hilfe angeboten. Unterstützung bei den Ermittlungen kommt inzwischen auch von Experten der australischen Polizei und aus Großbritannien, die in Malé eingetroffen sind.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.