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- Mobilitätsgesetz
Grüne sehen schwarz
Mitglieder der Öko-Partei und der Klimaunion kommen ins Gespräch
»Ich würde ja fast jetzt hier aufhören wollen«, so beginnt Heinrich Strößenreuther am Montagabend. Der Mitinitiator des 2015 angestoßenen Berliner Fahrrad-Volksbegehrens ist an diesem Abend in seiner jüngsten Rolle zu Gast, als Mitbegründer des Vereins Klimaunion, einem Zusammenschluss klimabewegter Mitglieder von CDU und CSU.
Moderator Matthias Dittmer hatte Strößenreuther gefragt, was ihn bewegt habe, ausgerechnet bei der Union seine politische Heimat zu suchen. »Der verkehrspolitische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus, Oliver Friederici, baut lieber U-Bahn statt Tram. Für Radwege möchte er keinen Gehweg, keinen Parkplatz und schon gar keine Autospur opfern. Er beklagt einen rot-rot-grünen Kulturkampf fürs Fahrrad«, so garnierte Dittmer seine Frage, was Strößenreuther nicht so schmeckte.
»Grün-Schwarz – eine Perspektive für Berlin?«, unter diesem Motto hatte die Initiative Stadt für Menschen eingeladen. »Wir verstehen uns als überparteilich«, sagt Dittmer in der Einführung. Allerdings ist er auch Co-Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität der Berliner Grünen.
Strößenreuther versucht, mit ein paar Bonbons zu punkten. »Wir haben uns verabredet, für einen Radweg auf dem Kudamm zu sorgen«, erklärt er über seine Gespräche mit Friederici, der erst am Nachmittag im Verkehrsausschuss den Sinn des Berliner Mobilitätsgesetzes angezweifelt hatte, weil es doch in den 15 anderen Bundesländern auch ohne eine »an Ökologie ausgerichtete Verkehrspolitik« gehe. »Das zweite Thema, wo wir auch eine Offenheit entdeckt haben, sind Kiezblocks«, so Strößenreuther weiter. Allerdings müssten es nicht gleich Dutzende dieser vom Durchgangsverkehr befreiten Viertel sein. Und der aktuelle Spitzenkandidat und Landesvorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, habe in der heißen Zeit des Wahlkampfs für den Fahrrad-Volksentscheid »nicht eine einzige negative Aussage gegenüber dem Fahrrad gemacht«.
Der Fahrrad-Aktivist, der einst in scharfer Weise Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) wegen mangelnder Fortschritte bei der Erarbeitung des Mobilitätsgesetzes angriff, zeigt nun große Milde für seine neue politische Heimat: »Man muss allerdings einer Partei, die mehr in den Außenbezirken ihre Stimmen fängt, zugestehen, dass sie andere Schwerpunkte setzt als Parteien, die eher in den Innenbezirken ihre Schwerpunkte haben«, erklärt er. Doch sein Thema sei eher der Bund, die Berliner CDU »vielleicht zu 20 Prozent«.
»Unser Job ist, gerade in der CDU/CSU dafür zu sorgen, dass sie eine ganz andere Geschwindigkeit beim Thema Klima aufnimmt. Wir müssen Brücken bauen, wir müssen Tore offenlassen, das ist eigentlich das, was Diplomatie ausmacht«, so Strößenreuther. Er räumt ein, dass das »nicht die von mir wahrgenommene Kernfähigkeit in der Öffentlichkeit war«.
»Eigentlich freue ich mich darüber, dass der Heinrich ein bisschen die Fronten gewechselt hat«, sagt Grünen-Mitglied Frank Geraets. Vor allem, weil er »aus langer leidvoller Erfahrung« ziemlich wenig von der SPD halte. Andere erinnern wieder daran, dass mit der CDU in den Bezirksparlamenten um jeden einzelnen Parkplatz gerungen werden müsse, der wegfallen soll.
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»Wenn man es ernst meint mit dem Klimaschutz, muss man mit aller Kraft die bestehenden Parteien mitgestalten«, meint Klimaunion-Mitgründerin Bianca Praetorius. Eine wirtschaftsnahe Partei sei ihr dabei »näher als die Linken, denen ich meine Unternehmerbrille immer erst erklären muss«. Sie wolle für »ein Umdenken statt eines Lippenbekenntnisses« in der CDU sorgen. Ob das klappt, bleibt abzuwarten. Ende der 90er Jahre hatten Studierende versucht, die FDP durch Masseneintritte zu unterwandern – ohne durchschlagenden Erfolg.
Mut macht die Klimaunion immerhin dem einen oder anderen CDU-Mitglied. »Ich habe mir immer gedacht, wenn ich irgendwann aktiv werde im Verkehrsbereich, werfen sie mich raus«, berichtet Mitglied Stephan Völker.
An eine grün-schwarze Koalition auf Landesebene scheint Praetorius jedoch nicht zu glauben. »In Berlin hängt es an einer Sache: der Wohnungsfrage«, ist sie überzeugt. Wenn es zum Sozialisierungs-Volksentscheid kommt, für den die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen gerade Unterschriften sammelt, habe die Union nur mit einer guten Antwort auf die Wohnungsfrage eine Chance. »Eine Antwort, die mehr ist als: ›Wir bauen einfach mehr‹. Weil, das glaubt keiner mehr.« Praetorius geht davon aus, dass die aus der Klimagerechtigkeitsbewegung hervorgegangene Klimaliste bei der Abgeordnetenhauswahl auch ein starkes Ergebnis bekommen wird.
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