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- Diversität im deutschen Fußball
Neun Frauen, ein Plan
Positionspapier für mehr Geschlechtergerechtigkeit im deutschen Fußball
Zunächst schickten sie sich nur hin oder wieder WhatsApp-Nachrichten, SMS oder Mails. Der Unmut über fehlende Geschlechtergerechtigkeit oder mangelnde Beteiligung an den Entscheidungsprozessen im kriselnden Profifußball bestand bei neun prominenten Frauen schon länger. Nun konfrontieren sie den deutschen Fußball mit acht Forderungen. Es geht um Gleichheit, die Unterstützung von Frauen im Berufsfeld Fußball und die angemessene Anerkennung Fußball spielender Frauen. Und sie wollen mitreden: Es könne nicht sein, dass immer noch mehr als 90 Prozent der wichtigen Positionen von Männern besetzt sind.
»Die Vielfalt der Spieler*innen auf dem Platz und bei den Menschen, die sich für den Fußball begeistern, spiegelt sich nicht in seinen Führungsgremien wider«, heißt es in einem Positionspapier, das neun im Fußball aktive Frauen gezeichnet haben: Almuth Schult (Torfrau vom VfL Wolfsburg), Bibiana Steinhaus (Schiedsrichterin), Claudia Neumann (ZDF-Kommentatorin), Helen Breit (Vorsitzende der Fanorganisation »Unsere Kurve«), Gaby Papenburg (Präsidentschaftskandidatin beim Berliner Fußball-Verband), Jana Bernhard (Geschäftsführerin der Sponsorenvereinigung S20), Katja Kraus (Geschäftsführerin Jung von Matt Sports), Katharina Kiel (Gründerin von Talentzone) und Sandra Schwedler (Aufsichtsratsvorsitzende FC St. Pauli).
»Der Fußball funktioniert bislang nach eigenen Regeln, und es gibt jetzt erstmals Druck von außen. Den wollen wir erhöhen«, erklärte Katja Kraus gegenüber der »Zeit« den Vorstoß. Die Unternehmerin und Buchautorin, dreifache Mutter und frühere Nationaltorhüterin kritisierte wiederholt die Funktionärsebene im Fußball als »hermetisches System, das sich um sich selbst dreht und auch sich selbst nährt.« Ist die 50-Jährige vielleicht sogar diejenige, die den Deutschen Fußball-Bund (DFB) als neue Präsidentin aus seiner Krise führt? Sie habe eigentlich »keine Ambitionen« auf das Amt, würde sich aber genau anschauen, unter »welchen Umständen und vor allem in welchen Konstellationen« sie Verantwortung übernehmen könnte. Vielleicht will niemand aus diesem Neuner-Zirkel wirklich den DFB-Job, aber dass allein diese Drohkulisse für manch einen um seine Pfründe bangenden Funktionär im Raum steht, der sich in heiklen Situationen meist auf seine Männerfreundschaften verlassen konnte, gefällt der Vorreiterinnenrunde.
Der gerade zurückgetretene Präsident Fritz Keller schlug in seiner Abschiedserklärung einen »auf Vertrauen und Zuverlässigkeit aufbauenden Führungsstil, insbesondere unter Einbeziehung von Diversitätsgedanken« vor – weil Frauen vermutlich nicht ein solches Ränkespiel aufgeführt hätten wie jene Männer, die sich unter dem DFB-Dach monatelang schlimmer bekämpften als halbstarke Jungs auf dem Pausenhof. Erschreckend empfinden es die Initiatorinnen, dass der DFB Bibiana Steinhaus, die noch als Videoassistentin tätig ist, nahgelegt haben soll, sich doch sehr genau zu überlegen, ob sie Teil einer solchen Initiative sein will. »Erstaunlich« bezeichnet Katja Kraus diesen Vorgang: »Wir sind schließlich keine terroristische Zelle, sondern Frauen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit engagieren.«
Ihre Forderung: 30 Prozent Frauen in Präsidium, Vorstand und Geschäftsführung der Verbände bis 2024 zu installieren, ebenso in den Aufsichtsräten eines jeden Profivereins. Jeder Klub soll bis dahin im Vorstand oder in der Geschäftsführung mindestens eine Frau haben. »Mit den von uns angestrebten mindestens 30 Prozent sind wir da noch relativ niedrig rangegangen. Doch selbst 30 Prozent übersteigen die Vorstellungskraft von vielen«, sagt die frühere Moderatorin Gaby Papenburg. Verlangt werden zudem Programme zur Chancengleichheit, Gehaltstransparenz, bessere Rahmenbedingungen, eine geschlechtergerechte Sprache auf allen Ebenen des Fußballs und eine konsequente Sanktionierung jeder Form von Sexismus und Diskriminierung.
»Der wirtschaftliche und kulturelle Nutzen gemischtgeschlechtlicher Teams ist in der Arbeitswelt hinlänglich angewiesen«, heißt es weiter. Einzelne Protagonisten wie die DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg, die DFB-Direktorin Heike Ullrich oder die innerhalb der Uefa zur Abteilungsleiterin Frauenfußball aufgestiegene ehemalige Nationalspielerin Nadine Keßler würden häufig als Argument genutzt, dass erfolgreiche Karrieren für Frauen durchaus möglich sind. »Aus der Exotik entsteht allerdings keine Kraft. Und auch kein struktureller Unterbau«, warnt die Initiative. Es gebe viele Frauen, »die die Kompetenz, die Erfahrung und die Integrität mitbringen, um Führungspositionen zu übernehmen«. Ihnen müsste endlich die Chance gegeben werden, sich zu beweisen.
Laut der Studie »Equal Play 2019« wird die Hälfte der im Sport beschäftigen Frauen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. »Das ist ein verheerender Zustand, den es unmittelbar zu verändern gilt«, hält das Positionspapier fest.
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