Der Oberleutnant und die Medien

Er sei falsch verstanden worden, beteuert Franco A. - und sucht reichweitenstarke Publikationen, um seiner Sicht der Dinge Gehör zu verschaffen

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.

«Ich bin kein Staatsfeind. Eigentlich genau das Gegenteil. Ich habe einen Eid auf die freiheitlich demokratische Grundordnung geschwört (sic!)». Franco A. spricht mit Bedacht, wägt seine Worte ab und will sich differenziert darstellen. Im Interview mit dem russischen Staatssender «RT deutsch», das wenige Tage vor Prozessbeginn veröffentlicht wurde, erhält der 32-jährige Oberleutnant der Bundeswehr viel Raum, um sich in Szene zu setzen.

«Es gibt keine Autorität, die von mir verlangen kann, dass ich meine Gedanken mit ihr bespreche oder teile.» Der Bereich seiner Gedanken solle geschützt bleiben, und an einer Diskussion dieser Gedanken und Beweggründe will sich Franco A. nicht beteiligen. «Ich glaube, nicht einmal Gott würde von uns verlangen, dass wir uns vor ihm für unsere Gedanken rechtfertigen.»

Sein Erscheinungsbild hat nichts mehr mit dem Franco A. gemein, der in den Medien 2017 mit Bildern auftauchte, die ihn in Uniform zeigten. Seine dunklen Haare hat er im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden, der rötliche Vollbart wirkt ein wenig fransig, aber nicht ungepflegt.

Zum Kern seiner Erzählung gehört bereits seit einigen Jahren, dass er grundsätzlich falsch verstanden worden sei. Doch für sein Handeln übernimmt Franco A. wenig Verantwortung. Interesse sei das Motiv für den Weg in die Geflüchtetenunterkunft gewesen, den er 2016 nahm, als er sich als syrischer Flüchtling David Benjamin ausgab. Als er am Eingang an die Polizei verwiesen wurde, weil er nur dort Asyl beantragen könne, war es ein an der Unterkunft haltender Polizeiwagen, der ihm quasi keine andere Wahl gelassen habe, als dort einzusteigen und die Geschichte vom Flüchtling weiter zu spielen.

Lesen Sie auch den Bericht von Joachim F. Tornau zum ersten Verhandlungstag im Prozess gegen Franco A.

Franco A. gerät auffällig oft in solche Situationen. Stets aus edlen Motiven, wie er vorgibt. Er habe sich selbst informieren wollen statt nur in den Medien von den Zuständen in Geflüchtetenunterkünften zu lesen. A. vermeidet sprachlich versiert den rechtsradikalen Ausdruck «Lügenpresse», wie es noch weitere Male passieren wird. Viele Medien würden unreflektiert die Position der Staatsanwaltschaften übernehmen, nur auf ihn als potenziellen Terroristen schauen, klagt er. Die Waffe, deretwegen er am Flughafen in Wien festgenommen wurde? Zufällig beim Pinkeln im Gebüsch gefunden, dann in der Manteltasche vergessen, eilig deponiert am Flughafen. Bei der Rückkehr dorthin dann die Verhaftung, die Franco A. als «anderweitige Schwierigkeiten» bezeichnet. Eine wahre Pechsträhne, in der eine bewusste Entscheidung quasi nie vorkommt und in der ihn stets Sachzwänge in ein schlechtes Licht zu rücken scheinen. Sachzwänge, die Franco A. logisch aufzubauen und zu rechtfertigen versucht.

Ein Handbuch für den Guerillakampf und die Anleitung der Mudschaheddin für den Bau von Sprengfallen? An dieser Literatur müsse er als Infanterieoffizier ein besonderes Interesse im Rahmen der militärischen Ausbildung und als Vorgesetzter von Soldaten haben. Auch seine antisemitische Masterarbeit sei falsch ausgelegt worden. Letztlich könne es auch gar nicht Antisemitismus sein, wie Franco A. mit einem Verweis auf Noah, die Arche und die Herkunft aller Menschen darzulegen versucht.

Angesprochen auf Fehler, die er gemacht habe, räumt Franco A. ein, es seien «selbstverständlich viele Dinge schief gelaufen». Er hoffe darauf, dass er seinen Soldatenberuf weiter ausüben könne, aber er komme - weil die Aussichten darauf sehr gering seien - auch damit klar «im Arbeiter- und Handwerkermilieu zu verbleiben, in das er hineingeboren worden sei. Auch dort würde er weiterhin seine Erfüllung finden.

Wer sich auf die Erklärungen des Offiziers einlässt, hört viele Begründungen, mit denen Franco A. glaubhaft machen will, die Vorwürfe gegen ihn seien konstruiert, eine rechtsradikale oder antisemitische Gesinnung nicht vorhanden. Glaubwürdig kann dies aber angesichts der Mitgliedschaft in rechtsradikalen Chatgruppen und seinen Äußerungen mit Bezug zur NS-Zeit nicht sein. Wie die »taz« im Artikel »Ein deutscher Soldat« die Recherchen der letzten vier Jahre zusammenfasst, hat der Militärische Abschirmdienst MAD im Umfeld von Franco A. mindestens neun Soldaten unter Rechtsextremismusverdacht gestellt. Zusammengetragen festigt sich das Bild von einem sowohl im Weltbild als auch im Kontaktkreis gefestigten Rechtsradikalen. Zu den Kontakten zählt der Gründer des Vereins »Uniter«, André S., der als »Hannibal« ein Netzwerk aus Chatgruppen aufbaute, in denen aktive und ehemalige Soldaten mit rechtsradikaler Gesinnung den »Tag X« herbeifantasierten und teils mit Ätzkalk und Leichensäcken die Verhaftung und Beseitigung politischer Gegner vorbereiten wollten. In diesem Umfeld äußerte sich Franco A. nicht so differenziert wie im RT-deutsch-Interview.

»Ihr glaubt immer noch, Teil dieses Staates zu sein«, so Franco A. in einer Sprachaufnahme vom 18. Januar 2016. Man müsse sich aber davon befreien, den bestehenden Staat aufrechtzuerhalten, zitiert die »taz« aus Abschriften von Sprachaufnahmen von denen Ermittler*innen rund 100 gesichert haben. »Jeder, der dazu beiträgt, dass dieses Konstrukt kaputt geht, tut Gutes«. Die bislang angesetzten Verhandlungstage reichen bis in den August hinein. Franco A. wird auch diese Bühne zu nutzen wissen, wie zuvor auch in »New York Times« und »NZZ«.

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