Der Intimfeind

Roman Protassewitsch bloggte seit seiner Jugend gegen das autoritäre Regime in Minsk

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 2 Min.

Sonderpolizisten, die friedlich protestierende Demonstranten krankenhausreif prügeln, Videos von Anti-Lukaschenko-Protesten aus abgelegenen Kleinstädten, Interviews mit Opfern der Staatsgewalt: Als die belarussischen Behörden nach den offensichtlich gefälschten Präsidentschaftswahlen im August 2020 das Internet blockierten, lieferte der Telegram-Kanal Nexta (gesprochen: Nechta, Belarusisch für »Jemand«) weiterhin im Minutentakt Bilder und Videos von den Protesten.

Innerhalb weniger Tage mauserte sich der Kanal im Messengerdienst Telegram zur zentralen Informationsquelle von Lukaschenkos Gegnern, auch westliche Nachrichtensendungen griffen auf die Aufnahmen zurück, rund 1,2 Millionen Follower abonnierten Nexta bis heute - in einem Land mit knapp zehn Millionen Einwohnern. Gegründet haben den erfolgreichen Kanal, der gleichzeitig auch der Mobilisierung und Koordination der Proteste dient, der damals 17-jährige Stepan Putilo und der heute 26-jährige Blogger Roman Protassewitsch.

Letzteren hat der belarusische Präsident Alexander Lukaschenko mit der erzwungenen Landung des Passagierflugzeugs der Ryanair nun in seine Gewalt gebracht. Protassewitsch bloggte bereits als Teenager gegen das autoritäre Regime in Minsk. Im Alter von 17 Jahren wurde er erstmals verhaftet und von der Miliz verprügelt. Der damalige Student hatte im russischen sozialen Netzwerk VKontakte zwei Internetgruppen gegen Präsident Alexander Lukaschenko betrieben.

Lesen Sie auch: Minsk erzählt Märchen. Die illegale Festnahme von Roman Protassewitsch ist ein Machtbeweis und eine Botschaft an die Opposition

Später arbeitete er als Fotograf für einen belarusischen Onlineradiosender und emigrierte 2019 wegen des immer stärker werden Drucks der Behörden nach Polen, wo er zum Nexta-Chefredakteur wurde. Nach Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Kanals beendete Protassewitsch im September 2020 - während der Proteste - seine Tätigkeit für Nexta. In jüngster Zeit arbeitete er für den oppositionellen Telegramkanal »Belamowa«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.