- Wirtschaft und Umwelt
- Bundesmobilitätsgesetz
Verkehrswende braucht bessere Pläne
Ökoverband VCD fordert in einem Vorschlag für ein Bundesmobilitätsgesetz, die Bevorzugung des Autos zu beenden
In Berlin wird gegen den erklärten Willen vieler Menschen der Bau von sieben Kilometern Stadtautobahn für eine Milliarde Euro durchgesetzt – vor allem vom Bund. Zugleich lobt sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dafür, bis 2023 etwa 1,5 Milliarden Euro in den Radverkehr zu investieren. Beschlossen ist das aber noch nicht – im Unterschied zu der Autobahnpiste.
Das Missverhältnis der beiden Vorhaben legt offen, was hierzulande in der Verkehrspolitik falsch läuft. Axel Friedrich, bundesweit bekannter Verkehrsexperte, kennt dafür noch jede Menge weiterer Beispiele. So führe der rechtliche Vorrang für den Autoverkehr dazu, dass Gerichte städtische Tempo-30-Zonen aufheben. Werde eine neue Schienentrasse nahe an Wohngebäuden gebaut, sei eine Lärmschutzwand vorgeschrieben. Verlaufe direkt neben dem neuen Gleis aber eine Bundesstraße, werde die Schutzwand zwischen der Schiene und der bereits bestehenden Straße gebaut – die Straße genieße Bestandsschutz, und die Leute müssten weiter mit dem Straßenlärm leben.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Auch der Bau des Fehmarnbelttunnels zwischen Deutschland und Dänemark konterkariert für Friedrich sämtliche Ziele beim Klima- und Umweltschutz. »Es wird gebaut, egal ob wichtig oder unwichtig.« Hierzulande habe der Verkehr einen »falschen Rechtsrahmen«, resümierte der Experte am Mittwoch bei der Präsentation eines Vorschlags für ein »Bundesmobilitätsgesetz«, dessen Mitautor er ist. Zu dem Gesetzesvorschlag veranstaltete der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) an dem Tag eine digitale Konferenz.
Das meistgebrauchte Bild bei der Präsentation lautete: Die Verkehrswende steht im Stau. Genauer: in einem »Reformstau«, wie Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth es formulierte. Flasbarths Ministerium fördert das Projekt Bundesmobilitätsgesetz, weil, wie er betonte, das heutige Verkehrssystem nicht auf eine Mobilität für alle ausgerichtet sei und nicht alle Menschen gleichmäßig teilhaben lasse. Der heutige Verkehr sei weder umweltverträglich noch ressourceneffizient noch inklusiv.
Flasbarth unterstützte die Idee für ein Bundesmobilitätsgesetz nachdrücklich. Zu Beginn der nächsten Legislaturperiode müssten der Bundesverkehrswegeplan einem »Fitness-Check« unterzogen und »nicht nachhaltige Planungen« gestoppt werden.
Allerdings macht die aktuelle Zersplitterung des Verkehrsrechts auf Schiene, Straße und Luft, auf Auto, Rad und ÖPNV, auf Bund, Länder und Kommunen es keineswegs leicht, alles unter dem Dach eines Bundesmobilitätsgesetzes zu vereinigen. Der VCD legte daher am Mittwoch keinen konkreten Gesetzestext vor, sondern Leitlinien, die in den kommenden Wochen mit der interessierten Öffentlichkeit debattiert werden sollen.
Und so skizzierte der Nahverkehrsexperte Jan Werner, wie Axel Friedrich Mitglied im VCD-Beirat, auf der Veranstaltung die Kernpunkte des angedachten Bundesgesetzes etwas »holzschnittartig«, wie er selbst sagte. Obenan stehen danach bundesweite Leitziele für die Entwicklung von Mobilität und Verkehr. Hier soll es darum gehen, die Mobilität von Personen und Gütern sowie zugleich den Schutz von Mensch und Umwelt zu sichern. Daraus sollen dann konkrete Planungen für den Bau – oder auch den Nichtbau – von Infrastrukturen abgeleitet und die entsprechende Finanzierung gesichert werden.
Das Hartz IV der Mobilität - Der derzeitige Öffentliche Personennahverkehr ist Teil des Problems und nicht der Lösung, meint Timo Daum
Ob so ein Bundesmobilitätsgesetz verfassungskonform, hat neben anderen Georg Hermes, Professor für öffentliches Recht an der Uni Frankfurt am Main, geprüft. Trotz der zersplitterten Gesetzgebungskompetenzen beim Verkehr zeige sich in der Zusammenschau, dass der Bund ein solches Mobilitätsgesetz erlassen könne. Grundlage dafür seien vor allem die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes bei der Bestimmung von Leitzielen, speziell beim Umwelt- und Klimaschutz. Weitere rechtliche »Reichweiten« ergeben sich Hermes zufolge aus den Möglichkeiten des Bundes, preisliche Rahmen für Verkehrsleistungen zu setzen, oder aus der teilweisen Finanzierung des Nahverkehrs aus Bundesmitteln. Die zentralen Elemente eines denkbaren Bundesmobilitätgesetzes seien jedenfalls verfassungskonform umsetzbar, resümierte der Staatsrechtslehrer.
Dass der Bund auch unter einem Bundesmobilitätsgesetz künftig Radwege direkt bauen würde, ist wohl nicht zu erwarten. Dass er aber Autobahnen wie bisher von oben »durchdrückt«, dürfte mit einem solchen Gesetz unwahrscheinlicher werden.
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