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Unis auf, und zwar zackig
Studierendenvertretungen kritisieren überstürzte Hochschulöffnungen
Ruckzuck sollen in den nächsten Wochen Öffnungen an den Hochschulen der Hauptsstadt umgesetzt werden. »Es ist dringend geboten, so schnell wie möglich wieder in Praxisangebote einzusteigen«, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), zugleich Wissenschaftssenator der Stadt. Das digitale Studium habe von Studierenden und Dozierenden eine Menge abverlangt, so Müller. Nun würde man in eine neue Phase übergehen mit sinkenden Inzidenzen und steigender Impfquote. Deshalb hat die Senatskanzlei für Wissenschaft und Forschung mit der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen (LKRP) einen Öffnungsplan erarbeitet, der am Mittwoch vorgestellt wurde.
Schon zum 4. Juni sollen demnach Bibliotheken, Mensen und Arbeitsplätze unter Hygienevorgaben geöffnet werden. Außerdem sollen Praxisveranstaltungen mit maximal 25 schnellgetesteten Teilnehmenden vor Ort stattfinden können. Zwei Wochen später folgen dann weitere Lehrveranstaltungen und die Durchführung von Prüfungen in Präsenz.
Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt- Universität und Vorsitzende der LKRP, sagt, sie freue sich darüber, wieder Begegnungen und Studium auf dem Campus ermöglichen zu können. Man müsse aber weiterhin vorsichtig und diszipliniert an die nächsten Öffnungsschritte herangehen, um den Infektionsschutz für die rund 200.000 Studierenden und 46.000 Beschäftigten an den Hochschulen zu gewährleisten. »Das ist ein ganz schöner Ozeandampfer, wenn man sich die Größenordnung der Menschenmenge anschaut, deren Wiederzusammenkommen wir jetzt verantwortlich organisieren müssen«, sagt Kunst. Dafür wolle man auch die Testzentren nutzen, die an den Hochschulen aufgebaut worden sind.
Prüfungen sollen in diesem Semester entweder digital oder in Präsenz stattfinden, beide Formate für die selbe Prüfung anzubieten, sei nicht möglich, sagt Sabine Kunst. »Wenn es einen Prüfungstermin gibt, gibt es einen Prüfungstermin. Man kann da nicht frei wählen zwischen dem einen oder anderen, sondern kann zurücktreten und hat die Chance, die Prüfung digital nachzuholen.« Durch gesetzliche Änderungen und Verordnungen sei aber bereits erwirkt worden, nicht bestandene Prüfungen nicht als Fehlversuche gelten zu lassen, betont Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters.
Beim Umstieg auf Präsenzveranstaltungen sollen Studierende nicht benachteiligt werden, die daran nicht teilnehmen können, so Krach: »Es ist wichtig, für ein Seminar, das in den Präsenzmodus wechselt, auch weiterhin ein digitales Angebot zu haben, damit Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in den Präsenzmodus wechseln können, das Seminar trotzdem abschließen können.«
Studierendenvertreter*innen der LandesAstenKonferenz (LAK) zeigen sich nur zum Teil zufrieden mit den geplanten Öffnungen. »Wir freuen uns sehr, dass die Bibliotheken und Mensen wieder öffnen und Arbeitsräume für Studierende auf dem Campus zur Verfügung stehen«, sagt Benjamin Kley, Referent für Lehre und Studium im Referent_innenrat der Humboldt-Universität (HU) und Mitglied der LAK. Die Vorgaben für Präsenzformate im laufenden Semester seien aber unrealistisch, denn die Vorlesungszeit sei schon Mitte Juli vorbei. »Wir sehen nicht, dass diese Umstellung auf Präsenzlehre so schnell umgesetzt werden kann«, so Kley. Auch die Präsenzprüfung bereitet den Studierendenvertreter*innen Sorgen. »Wir fordern von der LKRP und der Senatskanzlei, es zu ermöglichen, dass alle Studierenden ihre Prüfungen auch digital in diesem Semester ablegen können«, so Kley. Der Öffnungsplan sei mehr Öffentlichkeitsarbeit für den Wahlkampf der SPD als durchdachter Schritt zur Entlastung der Studierenden.
Der Aussage von Krach, man habe die LAK in alle Entscheidungen einbezogen, widerspricht der Studierendenvertreter. »Wir tauschen uns regelmäßig mit dem Staatssekretär aus, aber dabei geht es vor allem um Informationsweitergabe«, sagt Kley. In die Entscheidung um die Öffnungsschritte habe man die Mitglieder der LAK nicht eingebunden. »Wir saßen an keinem Runden Tisch mit der LKRP und der Landespolitik, so etwas würden wir uns wünschen. Aber es wurde mal wieder über unsere Köpfe hinweg entschieden – und so kann es nicht weitergehen.«
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