Auch Shell muss jetzt zum Klimaschutz beitragen

Niederländisches Gericht gab Klage von Umweltverbänden und Tausenden Einzelpersonen gegen den Öl- und Gaskonzern statt

  • Sarah Tekath, Amsterdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Niederländische Umweltorganisationen sind gegen den Öl- und Gaskonzern Shell vor Gericht gezogen, um diesen zu mehr Klimaschutz zu zwingen. Am Mittwoch bekamen sie Recht: Das zuständige Gericht in Den Haag entschied, dass das Unternehmen seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent zu reduzieren hat. »Shell muss zum Kampf gegen gefährliche Klimaveränderungen beitragen«, so die Vorsitzende Richterin bei der Urteilsverkündung. Das Unternehmen produziere eine »enorme Menge an CO2, mehr sogar als manche Länder, was zu gefährlichen Klimaveränderungen führt«. Dies stelle ein großes Risiko für die Einwohner der Niederlande und der Region des Wattenmeeres im Speziellen dar.

Im Dezember 2020 hatte die Umweltschutzorganisation Milieudefensie voor Veranderaars zusammen mit sechs weiteren Verbänden wie Greenpeace Niederlande und mehr als 17.000 Einzelpersonen Klage gegen den britisch-niederländischen Ölgiganten eingereicht. »Shell ist der größte Verschmutzer der Niederlande«, heißt es in einer Erklärung von Milieudefensie. »Das Unternehmen stößt neunmal so viel CO2 aus wie die gesamten Niederlande. Und Shell weiß bereits seit den 1960er Jahren, dass der Gebrauch von Öl und Gas klimaschädlich ist.« Nach Angaben der Organisation gehen nur vier Prozent aller Investitionen von Shell in nachhaltige Energieträger. Nine de Pater, Kampagnenleiterin von Milieudefensie, begründete das juristische Vorgehen wie folgt: »Nachdem wir auf viele verschiedene Arten versucht haben, Shell zu überzeugen, einen grüneren Kurs einzuschlagen, blieb uns jetzt nur noch der Zwang durch einen Richter.«

Mit Genugtuung kommentierte Milieudefensie denn auch das Urteil: »Dies sind großartige Neuigkeiten für uns und für unsere Kinder. Shell kann nicht weiter so viel Öl und Gas abpumpen, wie sie es bisher getan haben.« Selbst wenn das Unternehmen in Berufung gehe, werde dieses Urteil weltweit zu mehr Gerichtsverfahren führen. Außerdem würden mehr Politiker und mehr Ölfirmen »Druck verspüren, ihren Kurs zu ändern«.

Shell hatte im Prozess angeführt, man habe sich längst zum Klimaschutz verpflichtet. Wenn man bei einer Verurteilung den Verkauf fossiler Brennstoffe rasch verringern müsse, würden andere Anbieter dies einfach übernehmen. Das Gericht ließ die Argumentation nicht gelten, denn andere Unternehmen hätten dieselbe Verpflichtung. Zudem kritisierten die Richter, die bisher beschlossenen Maßnahmen des Unternehmens seien »wenig konkret und voller Vorbehalte«.

Greenpeace Niederlande geht davon aus, dass Shell alleine 2,1 Prozent aller Treibhausgase, die seit Beginn der industriellen Revolution entstanden sind, zu verantworten hat. Vor Gericht rechnete man vor, dass es zu einer globalen Erwärmung von drei bis vier Grad Celsius kommen werde, wenn Shell und vergleichbaren Unternehmen nicht Einhalt geboten werde. Auch in den Niederlanden zeigen sich laut Greenpeace bereits Umweltschäden durch die Aktivitäten des Konzerns. Im Raum Groningen seien seit den 1980er Jahren rund 1000 Erdbeben verzeichnet worden, die auf die dortige Gasgewinnung durch Shell zurückgeführt werden. Die Regierung hat den Stopp der Förderung aus dem Erdgasfeld ab 2022 verfügt.

Auch auf der niederländischen Karibik-Insel Curacao, wo Shell im Jahr 1916 eine Ölraffinerie baute, sind erhebliche Umweltschäden zu erkennen. So enthüllte Greenpeace, dass seit Jahrzehnten giftige Abfallstoffe in eine nahe gelegene Bucht gepumpt werden. In Nigeria sorgen undichte Ölpipelines von Shell seit vielen Jahren für eine Umweltkatastrophe. Vier lokale Bauern, die von Milieudefensie unterstützt werden, zogen in den Niederlanden vor Gericht. Im Januar fiel das Urteil: Shell muss drei der vier Bauern Schadensersatz zahlen.

Die Basis für den aktuellen Rechtsstreit hat aber eine andere niederländische Umweltorganisation gelegt: Urgenda verklagte bereits im Jahr 2013 die niederländische Regierung, um diese zu zwingen, den CO2-Ausstoß im Land zu reduzieren. Die Treibhausgasemissionen müssten bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 um 25 Prozent gesenkt werden. Urgenda bekam im Jahr 2015 Recht – das Urteil gilt als Meilenstein bei Klimaschutzklagen. Die niederländische Regierung ging mehrfach in Berufung, bis schließlich Ende 2019 auch der Hohe Rat, die höchste juristische Instanz des Landes, zugunsten von Urgenda entschied.

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