Kampf um Gerechtigkeit

Iraker fordern die Aufklärung politisch motivierter Anschläge

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Menschen im Irak, insbesondere die jungen, sind enttäuscht und wütend - auf ihre Regierung und auf den Iran, der mittels verbündeter Milizen mutmaßlich die irakische Innenpolitik zu beeinflussen sucht. Am Dienstag waren Tausende auf den Straßen Bagdads und machten ihrem Ärger Luft. Die Menschen hatten sich auf dem Tahrir-Platz versammelt und verlangten die Aufklärung der zahlreichen Morde an prominenten Aktivist*innen und Journalist*innen.

Nach Angaben der Nachrichtenwebseite »Middle East Eye« trugen sie Transparente mit der Aufschrift »Stoppt die Straflosigkeit« und »Wer hat mich getötet?« sowie Fotos von Menschen, die während der Anti-Korruptions-Kundgebungen im Oktober 2019 von Bewaffneten getötet worden waren.

Straflosigkeit

Als der Demonstrationszug vom Tahrir-Platz in die stark befestigte Grüne Zone Bagdads vorrücken wollte, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Augenzeugen berichteten, die Sicherheitskräfte hätten Tränengas, Schlagstöcke und scharfe Munition eingesetzt. Demonstrant*innen antworteten mit Steinwürfen, zwei von ihnen kamen ums Leben. Die vom Parlament bestimmte nationale Menschenrechtskommission meldete am Mittwoch zudem 150 Verletzte, darunter 130 Sicherheitskräfte. Eine große Personenzahl sei festgenommen worden.

Auslöser der Proteste am Dienstag war die Ermordung des Bürgerrechtlers Ihab Jawad Al-Wazni am 9. Mai in der schiitischen Pilgerstadt Kerbala und der Aufruf seiner Familie, ein Ende der Straflosigkeit zu fordern. Die Täter sind bis heute auf freiem Fuß; Aktivist*innen beschuldigen vom Iran unterstützte schiitische Milizen. Diese Gruppen unterstehen offiziell der Regierung, führen aber ihr Eigenleben. Am 10. Mai wurde ein Attentat auf den Journalisten Ahmed Hassan verübt. Er liegt seitdem im Koma.

Der sogenannte Arabische Frühling war 2011 am Irak weitgehend vorbeigegangen. Seit Oktober 2019 hat eine zweite Welle der arabischen Revolte das Land erreicht. Die Massenproteste richten sich gegen die verbreitete Korruption, fehlende Arbeitsplätze sowie eine abgehobene politische Klasse. 2019 führten sie zum Rücktritt von Premierminister Adel Abd Al-Mahdi. Die Polizei geht immer wieder mit Gewalt gegen die Protestbewegung vor, seit Beginn wurden mindestens 70 Aktivist*innen Opfer von Tötungen, Mordversuchen oder Entführungen. Die für solche politisch motivierten Anschläge Verantwortlichen werden in der Regel nicht gefasst.

Vorgezogene Parlamentswahlen

Ali Al-Bayati vom irakischen Hochkommissariat für Menschenrechte sagte laut dem Nachrichtensender Al-Jazeera, auch die Sicherheitskräfte müssten zur Rechenschaft gezogen werden: »Nur so können wir die wirklichen Verbrecher erreichen und die andauernde Straflosigkeit beenden.« Er fügte hinzu, dass die Proteste am Dienstag gegen das gerichtet waren, »was auf den Straßen gegen die Aktivisten vor sich geht, einschließlich der immer neuen Mordanschläge, die Teil der systematischen Gewalt sind«.

Im Oktober sollen im Irak vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden. Mehrere Parteien, darunter die aus den Oktober-Protesten hervorgegangene Al-Beit Al-Watani (Der nationale Block) und die Kommunistische Partei, riefen zum Wahlboykott auf, weil sie den etablierten Parteien Betrug vorwerfen. Auch die Demonstrant*innen glauben nicht an Veränderungen durch Wahlen. Sie sind enttäuscht von einem System, das sie nicht schützt. »Wir wollen die Parteien, die an der Macht sind, loswerden«, sagte Laith Hussein von der Bagdader Studentenunion gegenüber Al-Jazeera. Die Studierenden wollten »echte Freiheit, wahre Demokratie und radikale Veränderungen«. Mit Agenturen

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.