Aus Asien nach Schulzendorf

Brandenburg braucht Fachkräfte und wirbt dafür auch im Ausland an

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit Anfang April lebt das philippinische Ehepaar Leomarie und Arman Bantasan in Deutschland. Beide haben in ihrer Heimat eine Pflegeausbildung gemacht und nun Arbeit gefunden im Seniorenheim »Wilhelm Busch« in Schulzendorf. Im dortigen Kollektiv der Volkssolidarität wurden beide herzlich aufgenommen. Parallel zu ihrer Arbeit im Seniorenheim absolvieren beide einen 26-wöchigen Onlinekurs, um sich mit den Standards der Altenpflege in der Bundesrepublik vertraut zu machen und Deutsch zu lernen.

Der Bundesverband der Volkssolidarität hatte schon 2019 einen Rahmenvertrag mit der Schweizer LMCare AG abgeschlossen, die qualifiziertes Pflegepersonal von den Philippinen vermitteln. Ursprünglich war die Ankunft der beiden neuen Fachkräfte in Schulzendorf bereits Anfang 2020 geplant. Durch die Corona-Pandemie galt in ihrem Heimatland jedoch ein Ausreiseverbot.

Arman Bantasan war bereits zwei Jahre lang in Finnland als Krankenpfleger tätig. Nach seiner Ankunft in Deutschland musste das Ehepaar erst einmal zehn Tage in Quarantäne, danach stand ihm eine freie Woche zum Vertrautwerden mit der Region zur Verfügung. Mit dem Fahrrad und dem Bus haben beide die Umgebung erkundet und sich den Weg zur Arbeit angeschaut. Ende April konnten sie im Seniorenheim anfangen.

Rund 40.000 Ausländer – vor allem aus europäischen Staaten und hier in erster Linie aus Polen – arbeiten inzwischen im Land Brandenburg. Weil die Pflege, aber auch das Handwerk, die Landwirtschaft und Hotels und Gaststätten ihren Fachkräftebedarf längst nicht mehr durch eigenen Nachwuchs aus Brandenburg decken können, sind sie auf Zuzug aus dem Ausland angewiesen. Nach der Wende vor 30 Jahren sind vor allem junge Brandenburger wegen der Massenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland in den Westen gegangen, um dort einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeitsstelle zu finden. Ihre Kinder fehlen heute in der alten Heimat. Gemessen am Stand von 1990 sind noch 30 bis 40 Prozent Schulabgänger vorhanden. Weil fast die Hälfte von ihnen Abitur macht und dann studieren möchte, fehlt es an Lehrlingen.

Im Gesundheitsausschuss des Landtags sagte der Abgeordnete Sebastian Rüter (SPD) kürzlich, die Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland sei nötig, um »unseren Wohlstand« auch in Zukunft zu sichern. Doch müsse die Anwerbung »dreifach fair« erfolgen: Man dürfe anderen Staaten keine Fachleute abwerben, die sie selbst dringend benötigen, man solle nur dort zu diesem Mittel greifen, wo andere Personalquellen nicht vorhanden sind, und es müsse der Grundsatz »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« gelten. Die ausländischen Kollegen dürften also nicht schlechter bezahlt werden als die deutschen. Dies müsse Brandenburg bei der Ausgestaltung des Zuwanderungsgesetzes des Bundes berücksichtigen. Der Abgeordnete Frank Bommert (CDU) bestätigte, es sei notwendig, Fachkräfte ins Land zu holen. Er kenne »kaum noch ein Unternehmen, das nicht Mitarbeiter sucht«, sagte Bommert.

Migration habe es schon immer gegeben, erklärte der Abgeordnete Andreas Büttner (Linke). »Brandenburg ist ein Einwanderungsland und das ist auch gut so.« Büttner wies aber auf den Missstand hin, dass die aus dem Ausland kommenden Kollegen vielfach schlechtere Arbeitsbedingungen vorfinden. Sie verdienten weniger, seien häufiger nur befristet beschäftigt und ihnen werde schneller gekündigt.

Das Nachwuchsproblem steht für den Abgeordneten Heiner Klemp (Grüne) inzwischen auf einer Stufe mit der Klimakrise. »Überall fehlen Fachkräfte«, sagte Klemp. Das gelte für den akademischen wie den nicht-akademischen Bereich. In der Zuwanderung sieht er ein »erhebliches Potenzial«, das genutzt werden müsse.

»Wir brauchen keine Fachkräftezuwanderung«, sagte dagegen der Abgeordnete Daniel Münschke (AfD). Von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt abgesehen, seien die Löhne in Deutschland nirgends niedriger als in Brandenburg. Zuwanderung aus dem Ausland würde die sozialen Probleme noch verschärfen, erklärte er.

Die Anzahl junger Menschen in Brandenburg sei einfach zu klein, um den Bedarf zu decken, entgegnete Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Deshalb müsse Brandenburg ein Einwanderungsland bleiben. Menschen, die erwägen, in Deutschland zu arbeiten, müssten spüren, dass sie hier willkommen sind. Doch gelte es auch, »vor der eigenen Haustür« Lösungen für das Fachkräfteproblem zu finden, betonte der Minister. Ein Arbeitskräftepotenzial seien die Langzeitarbeitslosen und auch die bereits hier lebenden Ausländer.

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