Hinter feindlichen Linien

Der terrorverdächtige Bundeswehr-Oberleutnant Franco A. war nach seinen Angaben vor Gericht bestens ausgebildet für den Guerillakampf

  • Joachim F. Tornau, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 5 Min.

Franco A. baut vor. Als der terrorverdächtige Bundeswehr-Offizier am Freitag im Frankfurter Oberlandesgericht nach seinen Hobbys und Interessen gefragt wird, nennt er zuerst Reisen. Dann »Zeitgeschehen«. Und dann: »den Dingen auf den Grund gehen«. Er beschäftige sich gerne mit »alternativen Sichtweisen«, um ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, erklärt der 32-Jährige. Und deswegen stehe er gerne mal unangekündigt bei Menschen vor der Tür, deren Ideen ihn interessieren, und suche das Gespräch. Einfach so.

Nur um seine Person, seinen Werdegang, seine steile Karriere als Elite-Soldat bei der Bundeswehr geht es an diesem dritten Verhandlungstag, Franco A. hat sich entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung doch noch bereit gefunden, Fragen dazu zu beantworten. Und weil es eben nicht um die Sache, nicht um die Anklagevorwürfe geht, bleibt eine naheliegende Nachfrage ungestellt: Soll es etwa auch bloß ein solch unschuldiger Gesprächsversuch gewesen sein, als er im Juli 2016 die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin aufsuchte und Fotos von Autos in der Tiefgarage machte? Man ahnt, dass das die Botschaft sein soll. Doch vorerst bleibt sie unausgesprochen.

Die Bundesanwaltschaft, die dem Oberleutnant die Planung rechtsextremer Anschläge unter der Tarnidentität eines syrischen Geflüchteten vorwirft, sieht in dem Besuch ein Ausspähen - zur Vorbereitung eines Attentats auf die bei Rechtsextremen verhasste Stiftungsvorsitzende Anetta Kahane. Und sie ist überzeugt, dass der Angeklagte aus einer zutiefst völkisch-nationalistischen Gesinnung heraus gehandelt hat. Franco A. bestreitet beides.

Er räumt nur ein, was sich nicht bestreiten lässt: dass er sich als Geflüchteter ausgegeben und dadurch zu Unrecht Sozialleistungen bezogen hat. Dass er eine von ihm am Wiener Flughafen deponierte Pistole abholen wollte (die er aber angeblich nur beim Pinkeln an anderem Ort gefunden habe).

Und, das hatte er in seiner etwas verschwurbelten Einlassung am vorangegangenen Prozesstag noch nicht so deutlich eingeräumt: dass er »1090 Patronen Munition sowie 51 Knallkörper« unerlaubt besessen habe. »Das lag bei mir im Keller«, sagt er und wiegelt sofort ab: »Zum Großteil war das nur Manövermunition, die nicht letal wirkt.« So etwas wie Platzpatronen also. Was er damit wollte, will er allerdings nicht verraten. Später vielleicht, sagt sein Verteidiger.

Über seinen Lebens- und Karriereweg dagegen spricht Franco A. gerne. Drittbestes Abitur an einer Frankfurter Schule, Zweitbester beim Abschluss an der französischen Militär-Eliteakademie in Saint-Cyr, Jahrgangsbester an der Infanterieschule in Hammelburg, so reiht sich ein Erfolg an den nächsten. Aber es kommen, ganz beiläufig, auch Inhalte der Offiziersausbildung vor, die hellhörig werden lassen angesichts der Terrorvorwürfe: Wie man als Einzelkämpfer besteht. Wie man Hinterhalte plant. Wie man sich unauffällig hinter den feindlichen Linien aufhält. Guerillakampf, könnte man sagen. Das passt zu den Umsturzträumen, denen sich Angehörige von Bundeswehr, Polizei und Behörden im rechten Hannibal-Netzwerk hingaben. Auch Franco A. gehörte diesem Netzwerk an.

Und dann ist da natürlich noch die verschwörungsideologische Masterarbeit, die der aufstrebende Offizier 2013 in Saint-Cyr einreichte. Das pseudowissenschaftliche Machwerk, in dem Franco A. anknüpfend an extrem rechte Vordenker zum Widerstand gegen einen angeblich jüdisch gesteuerten »Bevölkerungsaustausch« aufrief, dürfte der deutlichste Hinweis auf die Gesinnung des Angeklagten sein.

Franco A. sieht jedoch auch das ganz anders. »Ich war damals kein Rassist, kein Nationalist und kein Extremist und bin es auch heute nicht«, beteuert er. Er habe es nur leider versäumt, »zu den Thesen auch Gegenthesen aufzustellen«, er sehe ein, dass seine Arbeit deshalb nicht als wissenschaftlich gelten könne. Aber: »Mein einziges Ziel war, unvoreingenommen alles zu ergründen.« Da ist es wieder, das Hobby.

Alles selbst ergründen: Das will Franco A. auch mit seinem, wie er es nennt: »Flüchtlingsprojekt« versucht haben. In einem Handyvideo, das er damals aufnahm und das nun im Gerichtssaal gezeigt wird, erzählt er von seinen ersten Erfahrungen. Einerseits von seiner Verwunderung, dass die echten Geflüchteten »gar nicht abgemagert« seien, und andererseits von seinem entbehrungsreichen Leben als falscher Flüchtling, das ihm hoffentlich eine Lehre sein werde: »Ich könnte mit viel weniger zufrieden sein als ich habe.« Aber auch von seinen Fingerabdrücken spricht er, die jetzt als die eines Geflüchteten gespeichert seien.

Einer der Menschen, mit denen Franco A. so unbedingt diskutieren wollte, dass er unangemeldet hinfuhr und klingelte, soll übrigens David Icke gewesen sein. Der Name fällt dem Angeklagten ein, als ihn das Gericht nach Beispielen für sein ungewöhnliches Hobby fragt. Icke, früher Fußball-Profi, hat sich seit vielen Jahren einen Namen als rechtsesoterischer Verschwörungsideologe gemacht. Diesen Mann vielleicht treffen zu können, war Franco A. so wichtig, dass er dafür gleich mehrfach den weiten Weg auf die Isle of Wight auf sich nahm.

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beruft sich auf Erinnerungslücken

Ein enger Vertrauter von A. könnte demnächst für die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt sitzen. Maximilian Tischer wurde kürzlich auf Listenplatz 26 gewählt, wie der »Spiegel« am Freitag berichtete. Tischer ist ebenfalls Soldat, laut »taz« der Bruder von der Partnerin von Franco A. und war am Abend vor der Festnahme von A. mit ihm in Wien unterwegs. Bei Tischer fanden Ermittler handschriftliche Notizen mit mehr und weniger bekannten Namen aus Politik und Medien. Die Ermittlungen gegen Tischer wurden im Oktober 2018 eingestellt. Schon vorher wurde er Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten.

Der Prozess gegen Franco A. wird am 8. Juni fortgesetzt.

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